Leitsatz

Aufwendungen aus Anlass einer Unterbringung eines an Legasthenie erkrankten Kindes in einem Internat sind im Streitjahr 2007 dann nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, wenn die medizinisch notwendige Heilbehandlung nicht durch eine ärztliche Stellungnahme vor Einleitung einer solchen Maßnahme nachgewiesen wurde.

 

Sachverhalt

Das FA hat die Aufwendungen der Kläger, welche aus Anlass der Unterbringung eines an Legasthenie erkrankten Kindes in einem Internat, sowie der dorthin unternommenen Fahrten zur Abholung in die Familienwohnung und zurück nicht als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG anerkannt, weil die medizinisch notwendige Heilbehandlung in dem Internat nicht durch eine ärztliche Stellungnahme vor Einleitung der Maßnahme nachgewiesen wurde. Im Klageverfahren tragen die Kläger vor, dass die Stadt C zur grundsätzlichen Übernahme der Kosten bereit gewesen sei. Wenn ein Kostenträger auf ein speziell angefertigtes amtsärztliches Gutachten verzichtet habe, könne nicht nach Jahren ein solches noch verlangt werden. Zu beachten sei, dass ein vergleichbares Zeugnis genüge, wenn feststehe, dass eine gesetzliche Krankenkasse die Notwendigkeitsprüfung vorgenommen und positiv beschieden habe. Davon könne in der Regel ausgegangen werden, wenn die Kasse einen Zuschuss zu den Kosten gewährt habe. Mit einem derartigen Fall sei der Streitfall vergleichbar.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG setzt die Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen voraus, dass die Lese- und Rechtschreibeschwäche eine Krankheit darstellt und die Aufwendungen zum Zwecke ihrer Heilung oder Linderung getätigt worden sind. Ob im Einzelfall eine psychagogische Heilbehandlung in einer geeigneten Sonderschule medizinisch notwendig und damit für den Steuerpflichtigen zwangsläufig ist, muss durch Vorlage einer vor Einleitung derartiger Maßnahmen erstellten formalisierten ärztlichen Stellungnahme nachgewiesen werden. Im Streitfall liegt in der gesetzlichen Regelung des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. den §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 3 f EStDV eine echte Rückwirkung vor. Diese Regelung ist damit auch im Streitfall einschlägig, und verstößt in der vorliegenden Konstellation nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.

 

Hinweis

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (Az. VI R 13/12). In diesem Verfahren muss der BFH klären, ob die rückwirkende Anwendung des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 EStDV mit dem Grundgesetz vereinbar ist. In vergleichbaren Fällen sollte daher gegen die ablehnenden Steuerbescheide Einspruch eingelegt und unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragt werden.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 18.01.2012, 11 K 317/09 E

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge