Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH. Alleingesellschafterin. Treuhandverhältnis. Rechtsmacht. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Geschäftsführerin einer GmbH, die zugleich Alleingesellschafterin der GmbH ist, kann dennoch sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, wenn sie die Gesellschaftsanteile nur als Treuhänderin hält.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.05.2020; Aktenzeichen B 12 R 5/18 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.09.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist noch, ob die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH im Zeitraum 17.12.2008 bis 31.03.2011 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die V. GmbH (im Folgenden: V) war im hier streitgegenständlichen Zeitraum ein Unternehmen mit dem Geschäftsgegenstand „alle Leistungen einer IT-, Multimedia-, Medien- und Werbeagentur" (Handelsregister B des Amtsgerichts Stuttgart, HRB 2...; die Gesellschaft wurde am 28.11.2017 gelöscht). Das Stammkapital betrug 25.000 €. Mit Vertrag vom 29.05.2007 übernahm die Klägerin davon einen Geschäftsanteil iHv 2.500 € und war fortan neben einem weiteren Gesellschafter Mitgesellschafterin.

Gemäß § 15 Abs 3 des am 29.05.2007 gültigen Gesellschaftsvertrages der V fassen die Gesellschafter ihre Beschlüsse, soweit nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften oder durch Gesellschaftsvertrag anders bestimmt, mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Gemäß § 15 Abs 4 des Gesellschaftsvertrages gewähren je 50,00 € eine Stimme.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.05.2017 wurde die Klägerin als alleinige einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der V mit Wirkung zum 01.06.2007 bestellt. Sie war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Am 01.06.2007 schloss die Klägerin mit der V einen Geschäftsführerdienstvertrag. Gemäß § 1 Abs 2 dieses Vertrages hat die Geschäftsführerin den von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen zu folgen. Gemäß § 4 des Vertrages ist die Geschäftsführerin in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei, wird jedoch im Rahmen ihrer Tätigkeit jederzeit, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, zu ihrer Verfügung stehen, ihre Interessen wahrnehmen und ihre gesamte Arbeitskraft einbringen. Es existiert ein Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte. Gemäß § 5 des Geschäftsführerdienstvertrages ist es der Geschäftsführerin untersagt, während der Dauer des Vertrages für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft in direktem Wettbewerb steht. Nach Beendigung des Anstellungsvertrages unterliegt sie insoweit einem Wettbewerbsverbot, als sie Kundenbeziehungen der Gesellschaft anschließend nur mit Zustimmung der Gesellschaft betreuen darf. Gemäß § 6 Abs 1 des Vertrages erhält die Geschäftsführerin für ihre Tätigkeit ab dem 01.06.2007 ein Jahresgehalt von 33.600,00 € brutto (monatlich 2.800 €) und gemäß § 6 Abs 2 darüber hinaus auch eine Gewinntantieme, die auf maximal 25 % ihres festen Jahresgehalts beschränkt ist. Gemäß § 8 Abs 1 des Vertrages behält die Klägerin bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, die durch Krankheit oder aus einem anderen von ihr nicht zu vertretenden Grund eintritt, ihren Anspruch auf die Bezüge gemäß § 6 für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zu einer ununterbrochenen Dauer von 6 Wochen. Gemäß § 6 Abs 7 ist die Geschäftsführerin sozialversicherungspflichtig. Die Gesellschaft trägt den Arbeitgeberanteil. Gemäß § 8 Abs 3 des Vertrages ist die Geschäftsführerin bei der zuständigen Berufsgenossenschaft gegen Unfall zu versichern. Gemäß § 9 erhält sie einen Jahresurlaub von 20 Arbeitstagen. Gemäß § 10 Abs 1 wird das Vertragsverhältnis zwischen der Geschäftsführerin und der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das Recht auf ordentliche Kündigung ist seitens der Gesellschaft nur aufgrund eines Beschlusses mit ¾-Mehrheit möglich.

Mit notariellem Vertrag vom 16.12.2008 verkaufte und übertrug der weitere Gesellschafter seinen Geschäftsanteil iHv 22.500 € an die Klägerin. Die Klägerin war ab diesem Zeitpunkt Alleingesellschafterin der V.

Am selben Tag schlossen Frau B. Ba.-H., Frau A. R.-L. und Herr Ra. W. einerseits als Treugeber und die Klägerin andererseits als Treuhänderin einen notariellen Treuhandvertrag (Blatt 50 ff der Verwaltungsakte) ab. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

㤠1 Treuhandgegenstand

(1) Der Treuhänder hält für die Treugeber je zu gleichen Teilen den Gesellschaftsanteil mit der Nr. 1 in Höhe von 22.500,00 € an der V. GmbH

(2) Die Treugeber haben den bezeichneten Betrag von 22.500,00 € (Nominalbetrag der Stammeinlage) in jeweils gleichen Teilen an die Gesellschaft in bar bezahlt.

(3) Der Treuhänder hat den Gesellschaftsanteil mit der Nr. 1 in Höhe von 22.500,00 € an der V. GmbH heute für die Treugeber erworben.

§ 2 Tr...

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