1. Versicherungsmathematische Methode

 

Rn. 203

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Laut § 6a Abs 3 S 3 Hs 2 EStG sind bei der Berechnung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung

Zitat

"die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden".

Das Entstehen und der Wegfall von Versorgungsansprüchen hängt vom Eintritt biologischer Ereignisse (zB Tod, Invalidität oder Erreichen eines bestimmten Lebensalters) ab. Indem die Versicherungsmathematik neben dem Rechnungszins (s Rn 197ff) entsprechende biometrische und sonstige Wahrscheinlichkeiten einbezieht, unterscheidet sie sich von der reinen Finanzmathematik, die lediglich die Zinseinflüsse berücksichtigt. In der Gesetzesbegründung zu § 6a EStG aus dem Jahre 1974 (BT-Drucks 7/1281, 39) werden die Vorzüge der versicherungsmathematischen Methode, auch wegen ihrer Eignung für den Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen, betont. Ihre Ersetzung durch einfache Bewertungsfaktoren wird dabei ausdrücklich als nicht sachgerecht abgelehnt.

 

Rn. 204

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Die Versicherungsmathematik arbeitet ua mit biometrischen und sonstigen Wahrscheinlichkeiten und mit Trendannahmen (ausführlich aba, Fachvereinigung Mathematische Sachverständige, BetrAV 1969, 70; Heubeck, § 6a EStG Rz 326ff; Höfer/Veit/Verhuven, BetrAVG Bd II Kap 2 Rz 512ff (Januar 2023)).

 

Rn. 205

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Zu den biometrischen und sonstigen Wahrscheinlichkeiten gehören ua

  • die Erlebenswahrscheinlichkeit,
  • die Invalidisierungswahrscheinlichkeit,
  • die Wahrscheinlichkeit, verheiratet zu sein,
  • Pensionierungsgewohnheiten und
  • die Fluktuationswahrscheinlichkeit der ArbN (ArbG-Wechsel).
 

Rn. 206

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Bei Trendannahmen handelt es sich um Annahmen über künftige Sachverhalte und Entwicklungen. Dazu gehören zB Erwartungen hinsichtlich

  • der Entwicklung der Lebenserwartung und
  • der Entwicklung von Erwerbseinkommen oder Rentenanpassungen.

Nicht alle durch die Versicherungsmathematik erfass- und bewertbaren künftigen Ereignisse und Trends dürfen bei der Teilwertberechnung gemäß § 6a EStG berücksichtigt werden. So geht zB aufgrund des Stichtagsprinzips (s Rn 169ff) die vermutete künftige Entwicklung der Pensionszusage oder der Bemessungsgrundlagen nicht in die Ermittlung des Teilwertes ein, wohl aber in die Bewertung nach § 253 Abs 1 S 2 HGB iVm dessen Abs 2 (Höfer/Veit/Verhuven, BetrAVG Bd II Kap 48 Rz 84 (Januar 2023)) und bei der Bewertung nach den Regeln der internationalen Rechnungslegung IAS 19 bzw ASC 715.

Ferner scheidet eine betriebsindividuelle Berücksichtigung der Fluktuation aus, weil § 6a EStG die Wahrscheinlichkeit eines ArbG-Wechsels durch die altersabhängige Begrenzung der erstmaligen Rückstellungsbildung (s Rn 109) und des Beginns des Dienstverhältnisses (s Rn 127f) pauschal berücksichtigt.

Eine mögliche Minderung des Verpflichtungsumfangs durch zulässige Widerrufsvorbehalte (s Rn 87ff) ist nicht messbar. Daher kann der versicherungsmathematisch errechnete Teilwert nicht deswegen gekürzt werden (vgl BT-Drucks 7/1281, 38).

2. Wahl der Rechnungsgrundlagen (Perioden- und Generationentafeln)

 

Rn. 207

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Verwendung bestimmter biometrischer Rechnungsgrundlagen. § 6a Abs 3 S 3 EStG spricht allgemein von den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik". Das Gesetz berücksichtigte ausdrücklich die Möglichkeit, bei der Berechnung der Pensionsrückstellung zu neuen Tabellenwerten überzugehen (§ 6a Abs 4 S 2 Hs 2 EStG).

Es ist daher grds auch möglich, insbesondere bei großen Beständen von Pensionsverpflichtungen, wo das Gesetz der großen Zahl gilt, unternehmensspezifische Grundlagen zu erstellen und anzuwenden. Ein solches Verfahren ist jedoch sehr zeit- und kostenaufwendig. In der Praxis wird daher sehr häufig auf die allgemein gebräuchlichen Rechnungsgrundlagen zurückgegriffen.

 

Rn. 208

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Die "Richttafeln" von Heubeck/Fischer (1983 zum ersten Mal aktualisiert durch K. Heubeck) waren weit verbreitet und allgemein anerkannt. Eine Modernisierung ist 1998 erfolgt (K. Heubeck, Richttafeln, 1998). Die neuen Richttafeln waren mit steuerlicher Wirkung erstmals für Wj, die in 1999 endeten, anzuwenden (s Rn 262ff).

Jene Richttafeln wurden im Jahre 2005 durch die "Richttafeln 2005 G" (Generationentafel) abgelöst. Sie unterscheiden sich von den Vorgängertafeln (Periodentafeln) grundsätzlich dadurch, dass sie die Lebenserwartung mit dem Geburtsjahr verknüpfen. Danach hat zB ein heute 65-Jähriger eine geringere Lebenserwartung als jemand, der erst in 20 Jahren das Alter 65 erreicht. Es wird also der Trend zur höheren Lebenserwartung berücksichtigt.

Im Jahr 2018 erfuhren die Generationentafeln von Heubeck eine Aktualisierung.

Bei entsprechendem Nachweis ist es zulässig, einzelne Wahrscheinlichkeiten gegenüber den "Richttafeln" zu modifizieren. ZB wird bei Personen, die unter extremen Bedingungen beschäftigt sind, die Invaliditätshäufigkeit möglicherweise nicht den allgemeinen Durchschnittswerten entsprechen. Es kommt daher in Betracht, bei verschiedenen Personengruppen, zB Unter- und Übertagebeschäftigten im B...

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