Rn. 579

Stand: EL 149 – ET: 02/2021

Reichhaltige Rspr liegt zu dem Fall vor, dass im Anschluss an die Anschaffung eines Gebäudes umfangreiche Renovierungs- und Erhaltungsaufwendungen vom Erwerber getätigt werden. Man spricht hierbei von anschaffungsnahen HK. Der dahinter steckende Grundgedanke ist: Der Erwerber des Gebäudes hat einen niedrigeren Preis als den "richtigen" bezahlt, weil das Gebäude einen Reparaturstau aufweist; die dann im Anschluss an den Erwerb durchgeführten Instandsetzungsarbeiten füllen diesen Minderwert auf. Es soll also aus steuerlicher Sicht keinen Unterschied machen, ob der Käufer ein bereits in Stand gesetztes Gebäude zu einem Preis x erwirbt oder ein noch in Stand zu setzendes Gebäude zu einem geringeren Preis y, wenn er das Gebäude innerhalb eines Zeitfensters nach Erwerb in Stand setzt. In beiden Fällen führen die gesamten Aufwendungen zu AK.

 

Rn. 580

Stand: EL 149 – ET: 02/2021

Die frühere BFH-Rspr hat in typisierender Betrachtung anschaffungsnahe HK im Regelfall innerhalb eines Dreijahreszeitraums und eines bestimmten Prozentsatzes des Kaufpreises angenommen. Die FinVerw hatte sich in R 157 Abs 4 EStR 2001 auf die "Regel" von drei Jahren und eine Relation zwischen Erhaltungsaufwand und Anschaffungspreis von 15 % festgelegt (BFH BStBl II 1992, 285; 1990, 53). Diese "Regel" ist verwaltungsseitig insoweit unzutreffend ausgelegt worden, als das dort formulierte "Können" als "Sind" angesehen, also bei Übersteigen der beiden Quantitäten zwingend Herstellungsaufwand unterstellt wurde (Beck, DStR 2003, 1462, 1469). Diese Rspr des BFH war seit jeher umstritten, auch im Rahmen von FG-Entscheidungen.

Die Neuorientierung der BFH-Rspr zur Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand (s Rn 285f) ist nicht spurlos an der Thematik der anschaffungsnahen HK vorbeigegangen. In einem vorsichtigen Abtasten verlangte der BFH zunächst auch bei hohen Erhaltungsaufwendungen nach dem Erwerb die Prüfung, ob eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes gegenüber dem Zustand beim Erwerb eingetreten ist (BFH BFH/NV 1999, 32). Danach ist der BFH aber noch einen Schritt weiter gegangen. In den Urt BFH v 12.09.2001, IX R 39/97, BStBl II 2003, 569; BFH, IX R 52/00, BStBl II 2003, 274 sowie BFH v 22.01.2003, X R 9/99, BStBl II 2003, 596 hat sich der BFH von der typisierenden Betrachtungsweise (15 %-Grenze nach R 157 Abs 4 EStR 2001) gelöst. Vielmehr sind nunmehr die Begriffe der AK und HK gemäß § 255 HGB nach dem tatbestandlichen Vorliegen der Begriffsinhalte hin "abzuklopfen". Auf den zeitlichen Zusammenhang und die Höhe der Aufwendungen allein kommt es dabei nicht an. Liegen AK/HK nicht vor, handelt es sich bei den Baumaßnahmen um Erhaltungsaufwand – unabhängig von der Höhe und dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Gebäudeerwerb. Die FinVerw hat die Rspr-Änderung im BMF v 18.07.2003, BStBl I 2003, 386 akzeptiert und mit Anwendungsbeispielen erläutert. Die oben genannte 15 %-"Regel" wurde als Nichtaufgriffsgrenze weitergeführt.

 

Rn. 581

Stand: EL 149 – ET: 02/2021

AK für Renovierungsarbeiten im Gefolge eines Gebäudeerwerbs ("anschaffungsnahe HK") liegen dann vor, wenn sie zur "Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand" (Definitionsbestandteil der AK in § 255 Abs 1 HGB; s Rn 170) aufgewendet werden. Das ist bei vermieteten oder eigengenutzten Gebäuden denknotwendig unmöglich, da diese im Erwerbszeitpunkt bereits bestimmungsgemäß genutzt werden. Anders bei leerstehenden Gebäuden: Hier können AK nach der unter s Rn 309 zitierten BFH-Rspr im eben genannten Sinn dann vorliegen, wenn nach der Bestimmung des Gebäudeerwerbers die betreffenden Renovierungsmaßnahmen dazu dienen, den vorhandenen Gebäudestandard (bzw Standard des betreffenden Gebäudeteils) von einer Qualitäts-"Stufe" in eine höhere zu versetzen. Der BFH unterscheidet dabei die drei Standard-Kategorien "einfach, mittel und sehr anspruchsvoll" (s Rn 571). Führt also die betreffende Baumaßnahme zu einem gegenüber dem Erwerbszeitpunkt höheren Standard, liegen AK vor.

AK liegen überdies vor, wenn die im Anschluss an den Gebäudeerwerb durchgeführte Baumaßnahme defekte Gebäudeteile wieder hergestellt (zB Heizungsanlage, Behebung von Wasserschäden und Brandfolgen) oder wenn die Renovierungsarbeiten gleichzeitig mit dem Kaufvertrag in Auftrag gegeben und alsbald durchgeführt werden (sog Modernisierungsmodell).

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