A. 15-Prozent-Grenze (§ 50j Abs 4 S 1 Nr 1 EStG)

 

Rn. 4

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Die in den Abs 13 des § 50j EStG enthaltenen Regelungen zur Missbrauchsverhinderung sind nicht anzuwenden, wenn die Brutto-KapErtr nach den Bestimmungen des anzuwendenden DBA mindestens mit 15 % zu besteuern sind. Eine Besteuerung zum normalen DBA-Satz wäre auch schwerlich als Missbrauch zu deklarieren. Danach verbleiben dann tatsächlich nur noch relativ wenige DBA übrig, nach denen bei Streubesitz der Quellensteuersatz niedriger als 15 % ist (Salzmann/Heufelder, IStR 2018, 62 [64]). Die Liste des BZSt (vgl Merkblatt betreffs Versagung der Entlastung von KapSt, Abschnitt II) ist zwar relativ kurz, aber sie beinhaltet eben nicht nur wenig relevante Staaten wie die von Salzmann/Heufelder genannte Mongolei und Syrien (IStR 2018, 62 Fn 36). Im Übrigen dürfte es weniger auf die Zahl der in Frage kommenden DBA ankommen, sondern vielmehr auf die Anzahl der getätigten Transaktionen, die mit der Neuregelung des § 50j EStG verhindert werden sollten. Sollte aber der § 50j EStG "praktisch leerlaufend" sein, bliebe allenfalls zu konstatieren, dass sich der Gesetzgeber unnötige Mühen gemacht hätte.

Im Übrigen erscheint es widersprüchlich, wenn einerseits eine überschießende Tendenz der Regelung beklagt wird (Florstedt, DStR 2020, 2399 [2401]) und andererseits darauf verwiesen wird, dass § 50j EStG von fehlender praktischer Relevanz sei (Salzmann/Heufelder, IStR 2018, 62 [64]). Wenn § 50j EStG "weder erforderlich noch geeignet" sein sollte, bestünde kein erneuter Regelungsbedarf.

B. Schachtelbeteiligungen (§ 50j Abs 4 S 1 Nr 2 EStG)

 

Rn. 5

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Sobald es sich um KapErtr handelt, die einer beschränkt stpfl KapGes zufließen, welche mit mindestens 10 % am Nennkapital einer unbeschränkt stpfl KapGes gemäß § 1 Abs 1 Nr 1 KStG beteiligt ist, und diese beteiligte Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat der Einkommens- oder Gewinnbesteuerung unterliegt und für sie dort kein Befreiungstatbestand gegeben ist, sind die Missbrauchsverhinderungsregelungen der Abs 13 des § 50j EStG nicht anwendbar.

Für Streubesitzdividenden hingegen gilt die verschärfte Prüfung der Abs 1–3; vgl Jehl-Magnus, NWB 2017, 179 Abs VII Nr 3. Ob sich an dieser Stelle bei Streubesitzdividenden viel tun wird, ist allerdings zweifelhaft. Zwar ist entgegen der Ansicht von Salzmann/Heufelder (IStR 2017, 125, Zusammenfassung Abs d) der § 50j EStG sehr wohl auf Streubesitzdividenden anzuwenden, vgl Anemüller in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 50j EStG Abs VI, aber wegen der möglichen Entlastung für ausländische Körperschaften nach § 44a Abs 9 EStG könnte die Neuregelung "leerlaufend" sein. Der § 44a Abs 9 EStG bewirkt jedoch nach S 1 nur die Erstattung von zwei Fünfteln der einbehaltenen und abgeführten KapSt. Hinsichtlich weitergehender Erstattungen verweist die Vorschrift auf die DBA. Diese werden aber durch § 50j EStG ausdrücklich überschrieben (Mann in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, § 50j EStG Rz 14 und 42).

C. Einjährige Haltedauer (§ 50j Abs 4 S 2 EStG)

 

Rn. 6

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Ein Gestaltungsmissbrauch wird nicht mehr vermutet werden können, wenn der Gläubiger der KapErtr längerfristig in Aktien oder Genussscheine investiert hat. Die zeitliche Grenze wird – wie in § 36a EStG – bei einem Jahr gezogen. Ist der Gläubiger bei Zufluss der KapErtr seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Papiere, wird die Entlastung nach § 50d EStG nicht versagt. Jegliche Form einer zwischenzeitlichen Übertragung von Eigentum lässt die Jahresfrist wieder von vorn beginnen.

Für die Berechnung der Jahresfrist gilt das Fifo-Prinzip nach § 50j Abs 4 S 2 Hs 2 EStG iVm § 50j Abs 2 S 2 EStG unabhängig davon, in welchem Depot oder bei welchem Institut die Aktien bzw Genussscheine aufbewahrt sind. Es findet immer eine Gesamtbetrachtung für den StPfl statt. In Fällen der Gesamtrechtsnachfolge werden die Anschaffungszeitpunkte des Rechtsvorgängers zu Grunde gelegt.

Anders als bei § 36a EStG ist eine "Geringfügigkeitsgrenze" von 20 000 EUR hier nicht in das Gesetz aufgenommen worden.

D. Missbrauchsvorbehalt (§ 50j Abs 5 EStG) und Unionskonformität

 

Rn. 7

Stand: EL 153 – ET: 10/2021

Ähnlich wie in § 36a Abs 7 EStG, allerdings umfassender, wird der Weg offen gehalten für alle steuerlichen Vorschriften, welche die Entlastung in einem noch weitergehenden Umfang einschränken könnten.

Unklar ist dabei, dass der Gesetzgeber einerseits mit dem § 50j EStG DBA-Regeln überschreibt, andererseits aber in Abs 5 auf DBA Bezug nimmt, um weitere Entlastungsbeschränkungen abzusichern. Angezweifelt wird, ob neben § 50j EStG überhaupt noch Anwendungsspielraum für die allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift bleibt (Gosch in Kirchhof, § 50j EStG Rz 5). Damit wird mE die Kreativität der Finanzbranche doch ein wenig unterschätzt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welcher Schaden entstünde, wenn die Regelung, wie behauptet, tatsächlich mangels Anwendungsfällen leerliefe. Allenfalls lässt sich einwenden, dass der § 42 AO als Auffangtatbestand gegen missbräuchliche steuerliche Gestaltungen keine klaren Maßstäbe liefert (vgl Drüen, DStR 2020, 1465 [1467]:

Zitat

"Genauso wie eine unübliche Gestaltung nicht zwing...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge