Rn. 231

Stand: EL 145 – ET: 08/2020

Unter Cum/Ex-Geschäften werden Aktientransaktionen verstanden, bei denen die schuldrechtliche Übertragung von Aktien mit Dividendenanspruch ("cum") vor dem Dividendenstichtag und die dingliche Lieferung nach dem Dividendenstichtag ohne Dividendenanspruch ("ex") erfolgt. In der Vergangenheit konnte bei entsprechender Gestaltung die Bescheinigung und Anrechnung von KapSt erreicht werden, die tatsächlich nicht angefallen war. Dies gelang insb bei Cum/Ex-Geschäften in Form von Leerverkäufen, bei denen der Aktienverkäufer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Aktien noch nicht in seinem Bestand hatte und diese erst nach dem Dividendenstichtag ex Dividende beschaffen konnte. Zum Dividendenstichtag gehörten die Aktie einem Dritten, dem die Dividende steuerlich zuzurechnen war. Nach den börsenüblichen Abwicklungsgepflogenheiten erhielt in diesen Fällen nicht nur Anteilsinhaber der Aktien eine zur Anrechnung von KapSt berechtigende Bescheinigung, sondern auch der Leerkäufer, dem aufgrund seines Aktienkaufs "cum Dividende" eine Dividendenersatzzahlung zustand.

KapSt war auf die Dividendenersatzleistung allerdings erst ab 2007 mit Einführung der Regelungen des § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG iVm den §§ 43ff EStG einzubehalten und dann auch nur, wenn die Transaktion über eine inländische auszahlende Stelle abgewickelt wurde (dazu s § 20 Rn 444 (Jansen/Schlotter). Durch die Einschaltung ausländischer Depotbanken in die Durchführung der Cum/Ex-Geschäfte entging dem deutschen Fiskus in der Folge noch bis zur Einführung einer endgültigen Lösung ab 2012 durch das OGAW-IV-UmsetzungsG (BGBl I 2011, 1126) Steuersubstrat in Milliardenhöhe. Die Aufarbeitung der Fälle aus steuerlicher und strafrechtlicher Sicht ist derzeit in vollem Gange (s mit einer detaillierten Darstellung der Transaktionen und mwN statt vieler Spengel, FR 2017, 545; Spilker, FR 2017, 138; Rau, DStR 2017, 1852; Schön, RdF 2015, 115).

 

Rn. 232

Stand: EL 145 – ET: 08/2020

Dennoch war auch danach der angestrebte Gleichlauf der Besteuerung von Dividenden und Dividendenkompensationsleistungen aus Cum/Ex-Geschäften nicht gewährleistet, wenn der Empfänger der Ersatzleistung im DBA-Ausland ansässig war. Erhält bspw eine in einem DBA-Staat ansässige Bank von einem inländischen Broker aufgrund eines Cum/Ex-Geschäftes eine Dividendenkompensation, hat Deutschland nur dann ein Besteuerungsrecht, wenn die Leistung unter die Dividendendefinition des Abkommens (Art 10 Abs 3 OECD-MA) subsumiert werden kann. Ist dies nicht der Fall, liegen abkommensrechtlich sonstige Einkünfte (Art 21 OECD-MA) vor, die nur im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Empfängers besteuert werden können. Eine auf die Dividendenkompensation im Inland einbehaltene KapSt müsste dann an die Bank erstattet werden.

 

Rn. 233

Stand: EL 145 – ET: 08/2020

Entscheidend für die steuerliche Erfassung im Inland wäre in der obigen Situation daher die jeweilige Definition im Dividendenartikel des Abkommens, die im Einzelfall sehr unterschiedlich gefasst sein kann. Nach Art 10 Abs 3 OECD-MA ist für die Einordnung als Dividenden im Abkommenssinne erforderlich, dass es sich bei den Zahlungen um "aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte" handelt, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Zwar werden Dividendenersatzleistungen nach § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG den sonstigen Bezügen aus Aktien iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG gleichgestellt. Dieser sonstige Bezug stellt jedoch einen eigenen Einkunftstatbestand dar, der nicht aus einer Beteiligung oder einem sonstigen Recht an der ausschüttenden Gesellschaft resultiert, sondern eine Ersatzzahlung aufgrund der schuldrechtlichen Verpflichtung des Verkäufers zur Lieferung der Aktien cum Dividende ist (ganz hM s zB § 20 Rn 444 (Jansen/Schlotter); Oertel in H/H/R, § 20 EStG Rz 56 (18. Aufl 2019); FG He v 10.03.2017, EFG 2017, 656; Schön, RdF 2015, 123 mwN). Einkünfte "aus sonstigen Gesellschaftsanteilen" iSd Art 10 Abs 3 OECD-MA liegen somit nicht vor (so auch zu Dividendenkompensationen bei Wertpapierdarlehen und Pensionsgeschäften mit Investmentfonds Lechner/Schober, BB 2018, 1691, 1697; Klein/Hörner/Adam, ISR 2018, 216, 222; Hahne, DStR 2018, 557, 559).

 

Rn. 234

Stand: EL 145 – ET: 08/2020

Die Klassifizierung von Dividendenkompensationen als abkommensrechtliche Dividenden kommt insoweit nicht in Frage, wenn das anzuwendende Abkommen dem Wortlaut des Art 10 Abs 3 OECD-MA entspricht. Dies ist bspw bei Art 10 Abs 5 DBA Belgien, Art 10 Abs 3 DBA Niederlande und Art 10 Abs 4 DBA Schweiz der Fall (s die Übersicht bei Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner, DBA Art 10 Rz 204 (6. Aufl 2015). In DBA, die an Art 10 Abs 3 der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage anknüpfen, ist regelmäßig keine ausdrückliche Beschränkung auf Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen enthalten (zB Art 10 Abs 3 DBA Großbritannien; Art 10 Abs 3 Luxemburg; Art 10 Abs 5 DBA USA). In diesen Fällen...

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