A. Grundsätzliches

 

Rn. 27

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Als Ausnahme zum zweistufigen Entlastungsverfahren können die Steuerbefreiungen nach den §§ 43b, 50g EStG oder DBA unter bestimmten Bedingungen auch bereits vom Vergütungsschuldner iRd Abzugsverfahrens geltend gemacht werden. Diese Ausnahmen werden in § 50c Abs 2 EStG zusammengefasst: Hauptanwendungsfall ist die in § 50c Abs 2 S 1 Nr 1 EStG geregelte Freistellung aufgrund amtlicher Bescheinigung. Daneben sieht § 50c Abs 2 S 1 Nr 2 EStG ein Verschonungsverfahren bei betragsmäßig geringen Vergütungen für immaterielle Wirtschaftsgüter iSv § 50a Abs 1 Nr 3 EStG vor. Letzteres ersetzt in vereinfachter Form das bisher in § 50d Abs 5 EStG aF geregelte Kontrollmeldeverfahren.

 

Rn. 28

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Ist der Vergütungsschuldner nicht gleichzeitig der Steuerabzugsverpflichtete, kann ein Freistellungsverfahren nicht angewendet werden. Im Falle von sammelverwahrten Aktien gemäß §§ 44 Abs 1 S 3, 43 Abs 1 S 1 Nr 1a EStG hat eine auszahlende Stelle, die nicht gleichzeitig Schuldner der KapErtr ist, daher den Steuerabzug durchzuführen; ein Freistellungsverfahren ist ausgeschlossen.

 

Rn. 29

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die Anmeldeverpflichtungen des Vergütungsschuldners (§§ 45a, 50a Abs 5 S 3 EStG bzw § 73e EStDV) bleiben ungeachtet des Freistellungsverfahrens bestehen. § 50c Abs 2 S 2 EStG stellt ausdrücklich klar, dass der Vergütungsschuldner auch in Fällen einer vollständigen Steuerentlastung zur Abgabe einer Steueranmeldung mit null verpflichtet ist.

Gemäß § 50c Abs 2 S 3 EStG kommt eine Änderung der Steueranmeldung auf Grundlage des Freistellungsverfahrens nicht in Frage, es sei denn, die Freistellungsbescheinigung war im Zeitpunkt der Steueranmeldung noch nicht erteilt worden. Eine einmal angemeldete und abgeführte Steuer kann grundsätzlich nicht aufgrund des Vorliegens einer der beiden Freistellungstatbestände durch nachträgliche Änderung der Steueranmeldung wieder erstattet werden. Der Vergütungsgläubiger ist insoweit auf das Erstattungsverfahren nach § 50c Abs 3 EStG verwiesen. Damit soll gewährleistet werden, dass nach Abführung der Steuer nur noch ein Entlastungsverfahren zur Anwendung kommt, um die Verwaltungspraxis zu vereinfachen und die Gefahr von Doppelerstattungen vermeiden. Dieser Grundsatz gilt allerdings uneingeschränkt nur im Rahmen des Verschonungsverfahrens für Rechteüberlassungen nach § 50c Abs 2 S 1 Nr 2 EStG.

Für den Fall der Freistellung durch amtliche Bescheinigung ist eine Änderung der Steueranmeldung ausnahmsweise zulässig, wenn eine Freistellung bereits beantragt, aber noch nicht erteilt wurde. Diese Ausnahmeregelung steht in Zusammenhang mit § 50c Abs 2 S 4 Hs 1 EStG, der wie § 50d Abs 2 S 4 Hs 1 EStG aF weiterhin die rückwirkende Erteilung einer Freistellungsbescheinigung ab Antragstellung vorsieht. Sie wurde nachträglich durch das ATADUmsG ins Gesetz eingefügt, nachdem die ursprünglich intendierte Geltung der Freistellungsbescheinigung erst ab Ausstellung aus Vertrauensschutzgründen nicht umgesetzt wurde (BT-Drs 19/28295, 73f).

B. Freistellung im Abzugsverfahren aufgrund amtlicher Bescheinigung (§ 50c Abs 2 S 1 Nr 1 EStG)

1. Sachlicher Anwendungsbereich

 

Rn. 30

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

§ 50c Abs 2 S 1 Nr 1 EStG bildet die Rechtsgrundlage für ein Freistellungsverfahren aufgrund amtlicher Bescheinigung. Es findet grundsätzlich Anwendung für Entlastungen gemäß der §§ 43b, 50g EStG sowie gemäß der Vorschriften eines DBA. § 50c Abs 2 S 5 EStG knüpft das Freistellungsverfahren für die abkommensrechtliche Entlastung von KapErtr bei Konzernbeteiligungen darüber hinaus an weitere Voraussetzungen. Eine Freistellung im Abzugsverfahren aufgrund amtlicher Bescheinigung ist danach für folgende Fälle möglich:

(1) KapErtr iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG (offene und vGA) an eine Muttergesellschaft im EU-Ausland, die die Voraussetzungen des § 43b EStG erfüllt (dh 10 % unmittelbare Mindestbeteiligung, mindestens 12-monatiger Beteiligungsbesitz). Als unmittelbar gilt auch eine Beteiligung, die über eine nicht gewerblich geprägte vermögensverwaltende PersG gehalten wird (BFH vom 18.05.2021, I R 77/17, BStBl II 2022, 114).
(2) Vergütungen iSd § 50a Abs 1 EStG; dies sind insbesondere Lizenzzahlungen und Vergütungen für inländische Tätigkeiten von Künstlern, Sportlern und Journalisten.
(3) Zinsen und Lizenzgebühren iSd § 50g EStG.
(4) KapErtr, die von einer unbeschränkt stpfl KapGes iSd § 1 Abs 1 Nr 1 KStG an eine in einem DBA-Staat ansässige KapGes im Nicht-EU-Ausland geleistet werden und die nach einem DBA einem ermäßigtem oder keinem Steuerabzug unterliegen. Hierbei handelt es sich um einen in § 50c Abs 2 S 5 EStG (zuvor § 50d Abs 2 S 1 Hs 2 EStG aF) geregelten Auffangtatbestand, der aus Gleichbehandlungsgründen und zur Wahrung der Verfahrenseinheit ins Gesetz aufgenommen wurde (BT-Drs 12/1108, 64). Voraussetzungen sind eine unmittelbare Mindestbeteiligung von 10 % und dass die empfangende ausländische KapGes im Staat ihrer Ansässigkeit den Steuern vom Einkommen oder Gewinn unterliegt, ohne davon befreit zu sein. Einige im EU-Bereich durch § 43b EStG vorgesehene Bedingungen gelten hier nicht: zB keine Mindestbesit...

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