Rn. 6

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Zweck der Regelung ist es, eine zeitlich gestreckte Besteuerung der durch Entstrickung ohne Realisationsvorgang aufgedeckten stillen Reserven zu ermöglichen (BT-Drucks 16/3369, 5) und damit die Vereinbarkeit der Entstrickungsregelung § 4 Abs 1 S 3 EStG mit EU-Recht sicherzustellen (BT-Drucks 16/2710, 57). Überführungen von WG ohne Auslandsberührung sind nach Maßgabe des § 6 Abs 5 EStG steuerneutral möglich, während Überführungen ins Ausland nach § 4 Abs 1 S 2 EStG (Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung des WG, im Einzelnen s §§ 4, 5 Rn 244ff (Briesemeister)) zur erfolgswirksamen Aufdeckung stiller Reserven führt. Eine Sofortversteuerung von Entstrickungsgewinnen wäre nicht nur hinter den bis dahin von der FinVerw im Betriebsstätten-Erlass (BMF v 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076) formulierten Grundsätzen zurückgeblieben (die insb einen verlängerten zehnjährigen Auflösungszeitraum vorsahen), sondern verstieße insb auch gegen die Niederlassungsfreiheit iS Art 49 AEUV (Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1485; Förster, DB 2007, 75; Kahle in Prinz/Kanzler, Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht, Rz 3016 (4. Aufl 2021)). Zugleich wird mit der Möglichkeit der Ausgleichspostenbildung die Liquiditätsproblematik entschärft, die durch eine Besteuerung lediglich fiktiv als realisiert geltender stiller Reserven ohne tatsächlichen Realisationsvorgang und damit ohne Liquiditätszufluss entsteht.

 

Rn. 7

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Auf der Grundlage der EuGH-Rspr und unter Berücksichtigung der Ausdehnung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs der zinslosen zeitlichen Streckung der Besteuerung von Entstrickungsgewinnen durch ATADUmsG v 25.06.2021 ist davon auszugehen, dass mit der gestaffelten Steuererhebung nach § 4g EStG die Verhältnismäßigkeit der Entstrickung nach § 4 Abs 1 S 3 EStG gewährleistet und der anvisierte Zweck der Norm grds erfüllt ist (stellvertretend Kraft/Ungemach, DStZ 2020, 449; Heinicke in Schmidt, § 4g EStG Rz 1 (40. Aufl 2021)). Der EuGH beurteilte zunächst sowohl die Entnahmequalifikation der Überführung von WG in das EU-Ausland als auch die sofortige Steuerfestsetzung als zulässig, wertete aber die sofortige Fälligkeit der hierauf entfallenden Steuer als europarechtswidrig (EuGH v 29.11.2011, C-371/10, National Grid Indus, DStR 2011, 2334; EuGH v 06.09.2012, C-38/10, Kommission – Portugal, IStR 2012, 763).

Weitergehend hielt der EuGH die Möglichkeit, eine auf nicht realisierte Wertzuwächse entfallende Steuer in fünf Jahresraten zu tilgen, für grds ausreichend, die Europarechtswidrigkeit einer sofortigen Fälligstellung zu beseitigen (bzgl § 20 Abs 6 UmwStG 1995 iVm § 21 Abs 2 S 3–5 UmwStG 1995 EuGH v 23.01.2014, C-164/12, DMC, IStR 2014, 106; vgl auch Mitschke, IStR 2014, 111; Musil, FR 2014, 470; Sydow, DB 2014, 265). Desgleichen wertete der EuGH eine durch einen linear aufzulösenden Ausgleichsposten

Zitat

"auf zehn Jahre gestaffelte Erhebung der Steuer auf die stillen Reserven […] als eine verhältnismäßige Maßnahme"

(EuGH v 21.05.2015, C-657/13, Verder Lab Tec, DStR 2015, 1166 Rz 52, nach Vorlagebeschluss des FG D'dorf v 05.12.2013, 8 K 3664/11, IStR 2014, 73, unter Verweis die hinreichende Staffelung der Steuererhebung über fünf Jahre gemäß EuGH v 23.01.2014, C-164/12, DMC, aaO; vgl auch Folgeurteil FG D'dorf v 19.11.2015, 8 K 3664/11, EFG 2016, 209, Rev I R 99/15, ausgesetzt durch BFH v 14.06.2017, I R 99/15, bis zur Entscheidung von BVerfG 2 BvL 8/13; vgl auch FG Köln v 16.02.2016, 10 K 2335/11, EFG 2016, 793, rkr).

Die grundsätzliche Vereinbarkeit einer Besteuerung von Entstrickungsgewinnen mit EU-Recht kommt letztlich auch darin zum Ausdruck, dass Art 5 Abs 2 ATAD das Recht auf Streckung der Steuerzahlung durch Leistung in Teilbeträgen über einen Zeitraum von fünf Jahren vorsieht.

 

Rn. 8

Stand: EL 155 – ET: 12/2021

Zur Problematik des Anwendungsbereichs des § 4 Abs 1 S 3, 4 EStG nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie durch den BFH, die entsprechend Folgen für den Anwendungsbedarf des § 4g EStG hat, s §§ 4, 5 Rn 247 (Briesemeister).

 

Rn. 9–10

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vorläufig frei

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