Rn. 6

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 42g EStG bestehen – wie auch zur USt-Nachschau – im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Zitiergebot des GG aus Art 19 Abs 1 S 2 GG. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schützt einerseits die Wohnung als räumlich abgeschottete Stätte privaten Lebens und Wirkens (BVerfG v 16.06.2015, 2 BvR 2718/10, 2 BvR 1849/10, 2 BvR 2808/11, BVerfGE 139, 245). Nach der Rspr des BVerfG (BVerfG v 27.02.2008, 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274, 309) fallen aber auch Arbeits-, Betriebs-, und Geschäftsräume in den Schutzbereich des Art 13 GG, dies gilt auch dann, soweit und solange diese der Öffentlichkeit allg zugänglich sind (BVerfG v 17.02.1998, 1 BvF 1/94, BVerfGE 97, 228, 265; Drüen in Tipke/Kruse, § 413 AO Rz 11 (Februar 2019)).

Betretungen und Besichtigungen anlässlich einer Nachschau stellen idR keine Durchsuchungen dar (BVerfG v 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BverfGE 32, 54, 73), wohl aber Eingriffe in ds Grundrecht aus Art 13 GG. Schränkt ein Gesetz ein Grundrecht ein, muss es dieses unter Angabe des jeweiligen Artikels des GG nennen. Obwohl § 42g EStG einen Bezug zu Art 13 GG aufweist und § 42g Abs 2 S 3 EStG die sich aus Art 13 Abs 7 GG ergebenden Eingriffsvoraussetzungen der Grundrechtschranke in Teilen wortgleich übernimmt, enthalten weder § 42g EStG noch das EStG generell einen Hinweis darauf, dass Art 13 GG durch § 42g EStG eingeschränkt wird. Allerdings verweist § 413 AO für die Steuergesetze darauf, dass ua das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Maßgabe der AO eingeschränkt werde. Auch wenn das Zitiergebot nach der Rspr des BVerfG (BVerfG v 30.05.1973, 2 BvL 4/73, BVerfGE 35, 185) eng auszulegen ist, erscheint fraglich, ob durch § 413 AO dem Zitiergebot im Hinblick auf die auf durch § 42g EStG ermöglichten Betretungen und Besichtigungen hinreichend entsprochen wird (verneinend Hilbert in H/H/R, § 42g EStG Rz 5 (April 2014); Wagner in Blümich, § 42g EStG Rz 33 (Mai 2020); Drüen in Tipke/Kruse, § 413 AO Rz 5 (Februar 2019)).

Die Verletzung des Zitiergebots hätte allerdings, soweit § 42g EStG die Betretung privater Wohnräume ermöglicht, lediglich dessen Teilnichtigkeit zur Folge, nicht aber die Nichtigkeit des gesamten EStG (vgl zur USt-Nachschau BFH v 16.12.2009, V B 23/08, BFH/NV 2010, 1866; BFH v 18.05.2011, VII B 195/10, BFH/NV 2011, 1743; BFH v 09.01.2009, V B 23/08, BFH/NV 2009, 801; Druen in Tipke/Kruse, § 413 AO Rz 5 mwN (Februar 2019)). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Zulässigkeit des Betretens von (gemischt) beruflich und privat genutzten Räumen sowie von häuslichen Arbeitszimmern iRd LSt-Nachschau, ausführlich dazu s Rn 47ff.

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