Rn. 458

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Phasengleiche Aktivierung: Das Gewinnbezugsrecht des Aktionärs (§ 58 Abs 4 AktG) bzw GmbH-Gesellschafters (§ 29 Abs 1 GmbHG) als bedingte Rechtsposition wandelt sich erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluss in einen durchsetzbaren Anspruch. Da der Gewinnverwendungsbeschluss idR erst nach der Feststellung des JA und somit nach dem Bilanzstichtag gefasst werden kann, entsteht der Anspruch rechtlich regelmäßig erst in der Folgeperiode.

Das Handelsrecht begegnet dieser Gewinnverschiebungsproblematik in wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit einem Aktivierungsgebot bereits zum Bilanzstichtag, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben, der Dividendenanspruch quasisicher ist (EuGH vom 27.06.1996, C-234/94 (Tomberger), DB 1996, 1400; BGH vom 03.11.1975, II ZR 67/73, WM 1976, 12; BGH vom 21.07.1994, II ZR 82/93, BB 1994, 1673, 1675; BGH vom 12.01.1998, II ZR 82/93, HFR 1998, 934):

  • die Muttergesellschaft mehrheitlich Anteile an der Tochtergesellschaft hält,
  • die Geschäftsjahre der Unternehmen deckungsgleich sind,
  • der JA der Tochter- vor dem der Muttergesellschaft festgestellt wird und
  • die Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft die Ausschüttung beschlossen hat oder mindestens ein entsprechender Gewinnverwendungsvorschlag vorliegt.

Für das Steuerrecht lehnt der GrS des BFH eine phasengleiche Aktivierung grundsätzlich ab (Aktivierungsverbot) und fordert – in äußerst restriktiver Handhabung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise – für die Aktivierung grundsätzlich einen Gewinnverwendungsbeschluss (BFH vom 07.08.2000, GrS 2/99, BStBl II 2000, 632; s auch H 4.2 Abs 1 EStH 2022 "Dividendenansprüche"). Ohne Gewinnverwendungsbeschluss sei die Dividendenforderung am Bilanzstichtag nicht nur rechtlich noch nicht entstanden, sondern ebenfalls wirtschaftlich nicht. Lediglich unter den höchst restriktiven (Zusatz-)Bedingungen, dass

  • zum Bilanzstichtag der mindestens ausschüttungsfähige Gewinn bekannt ist und
  • nachgewiesen wird, dass die Gesellschafter am Bilanzstichtag unwiderruflich entschlossen waren, eine Gewinnverwendung in genau bestimmter Höhe künftig zu beschließen

geht der BFH von phasengleich zu aktivierenden Dividendenforderungen aus (BFH vom 07.08.2000, GrS 2/99, BStBl II 2000, 632). Diese Voraussetzungen, die anhand objektiver, nachprüfbarer und nach außen in Erscheinung tretender Kriterien feststellbar sein müssen, dürften nur in Ausnahmefällen vorliegen. Der Ausschüttungswille könne – trotz wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit – auch nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine phasengleiche Aktivierung einer Dividendenforderung (partiell) das Eingreifen der Mindestbesteuerung (§ 10d Abs 2 EStG, § 10a S 1, 2 GewStG) verhindern oder den drohenden Untergang eines Verlustes bei der Muttergesellschaft (§§ 8c KStG, § 10a S 10 GewStG) abwenden würde (BFH vom 07.08.2000, GrS 2/99, BStBl II 2000, 632). Auch eine Vorabausschüttung indiziere keinen darüber hinausgehenden Ausschüttungswillen (BFH vom 28.02.2001, I R 48/94, BStBl II 2008, 340).

Das Abstellen auf die zivilrechtliche Forderungsentstehung, nicht auf das Bestehen eines dem Grunde und der Höhe nach "so gut wie sicheren" Anspruchs ist abzulehnen. Unter den vom EuGH formulierten Voraussetzungen (s oben) ist der Dividendenanspruch am Abschlussstichtag nicht mehr mit wesentlichen Risiken belastet, sondern quasisicher, der Anspruch damit GoB-konform nicht nur handelsrechtlich, sondern auch steuerrechtlich zu aktivieren und damit realisiert. Durchgreifende maßgeblichkeitsbrechende steuerliche Sonderregelungen sind insoweit nicht vorhanden. Auch "unterschiedliche Sachgesetzlichkeiten" zwischen Handels- und Steuerrecht, insbesondere der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stehen (wie in anderen Fällen) der Aktivierung eines quasisicheren Anspruchs nicht entgegen, auch dann nicht, wenn der Bilanzierende in der Lage ist, den Zustand der Quasisicherheit autonom herzustellen (aA BFH vom 07.08.2000, GrS 2/99, BStBl II 2000, 632: gesetzlich nicht vorgesehenes Wahlrecht).

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