Rn. 193

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Die bis zum 31.12.1998 geltende Gesetzesfassung von § 17 Abs 1 S 4 EStG, nach der eine wesentliche Beteiligung gegeben war, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war, wurde zum 01.01.1999 dahingehend geändert, dass hierfür eine Beteiligung von 10 % genügt (§ 17 Abs 1 S 4 iVm § 52 Abs 1 S 1 EStG idF StEntlG 1999/2000/2002 (verkündet am 31.03.1999)). Gemäß § 17 Abs 1 S 1 idF StSenkG vom 23.10.2000 (verkündet am 26.10.2000), genügt bereits eine – unmittelbare oder mittelbare – Beteiligung von mindestens 1 %.

 

Rn. 194

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 07.07.2010 entschieden, dass § 17 EStG idF vom 24.03.1999 gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauens verstößt und nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen erfasst werden können, die bis zur Verkündung des Gesetzes am 31.03.1999 noch nicht unter die Vorschrift des § 17 EStG gefallen wären (BVerfG vom 07.07.2010, 2 BvR 748/05 ua, BStBl II 2011, 86).

Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Absenkung der Beteiligungsgrenze von 25 % auf 10 %, sondern auch für die Absenkung der Beteiligungsgrenze von 10 % auf 1 % (BMF vom 21.12.2011, BStBl I 2012, 42; zuletzt FG Ha vom 29.09.2016, 1 K 3/16, EFG 2017, 493; BVerfG vom 06.01.2023, 2 BvR 364/13; s Rn 6, 7). Maßgeblicher Stichtag ist der Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes, da ab diesem Zeitpunkt kein schutzwürdiges Vertrauen in die bisherige Rechtslage mehr besteht.

 

Rn. 195

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Somit gilt:

 
  Wertsteigerungen bis 31.03.1999 Wertsteigerungen bis 26.10.2000 Wertsteigerungen ab 26.10.2000
Beteiligungshöhe mehr als 25 % steuerbar gemäß § 17 EStG

Beteiligungshöhe

10 % bis 25 %
nicht steuerbar gemäß § 17 EStG steuerbar gemäß § 17 EStG

Beteiligungshöhe

1 % bis unter 10 %
nicht steuerbar gemäß § 17 EStG steuerbar gemäß § 17 EStG
Beteiligungshöhe unter 1 % nicht steuerbar gemäß § 17 EStG
 

Rn. 196

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Nach BMF vom 21.12.2011, BStBl I 2012, 42 ist aus Vereinfachungsgründen (widerlegbar) der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses der veräußerten Anteile regelmäßig entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31.03.1999 (bzw nach dem 26.10.2000) im Vergleich zur Gesamthaltedauer aus Vereinfachungsgründen zeitanteilig linear (monatsweise) zu ermitteln. Angefangene Monate werden bei der Ermittlung der Gesamtbesitzzeit aufgerundet und bei der Ermittlung der steuerbaren Besitzzeit (01.04.1999 bzw 26.10.2000 bis Veräußerungsdatum) abgerundet. Bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge wird die Besitzzeit des Rechtsvorgängers einbezogen (§ 17 Abs 2 S 5 EStG).

 

Beispiel:

Die AB-GmbH wird im Juli 1992 gegründet. Gründungsgesellschafter waren die natürlichen Personen A mit 90,5 % und B mit 9,5 %. AK sind lediglich für die Aufbringung des Stammkapitals von EUR 100 000 angefallen; somit bei A EUR 90 500 und bei B EUR 9 500. Im Dezember 2014 veräußern A und B ihre Beteiligung an der AB-GmbH; auf die Beteiligung von B entfällt ein Veräußerungspreis von EUR 1 080 000.

Lösung:

Gesellschafter A ist von der Absenkung der Beteiligungsquote des § 17 EStG nicht betroffen, sein gesamter Veräußerungsgewinn ist steuerbar. Die StPfl besteht iRd Teileinkünfteverfahrens zu 60 %.

Gesellschafter B war zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft nicht iSd § 17 EStG beteiligt. Er ist aufgrund der Absenkung der Beteiligungsgrenze in die Steuerbarkeit "hineingewachsen". Die gemäß BMF vereinfachend zulässige zeitanteilige Aufteilung zwischen der steuerbaren und nicht steuerbaren Wertsteigerung ergibt sich folgendermaßen:

 
Veräußerungspreis EUR 1 080 000

Gesamthaltedauer in Monaten

(07/1992 bis 12/2014)
270 Monate
Wertsteigerung pro Monat EUR 4 000

Steuerbare Haltedauer

(04/1999 bis 12/2014)
189 Monate

Steuerbare Wertsteigerung

(189 × EUR 4 000)
EUR 756 000

Nicht steuerbare Wertsteigerung

(81 × EUR 4 000)
EUR 324 000

Vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ergibt sich somit für B ein iSd § 17 EStG steuerbarer Veräußerungsgewinn von EUR 756 000. Seine ursprünglichen AK von EUR 9 500 kann B mE nicht berücksichtigen, da diese historischen AK um den (hier zeitanteilig ermittelten) gemeinen Wert seiner Beteiligung zum Zeitpunkt der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 ersetzt werden.

 

Rn. 197

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Nach Auffassung der FinVerw kann von einer zeitanteiligen Aufteilung von steuerbaren und nicht steuerbaren Wertsteigerungen nur abgewichen werden, wenn ein tatsächlich höherer Wertzuwachs in der nicht steuerbaren Besitzzeit nachgewiesen wird (BMF vom 21.12.2011, BStBl I 2012, 42). Diese von der FinVerw letztlich aus Gründen der Praktikabilität niedergelegte Verfahrensweise führt jedoch nicht dazu, dass der StPfl beweispflichtig wird für den Wert seiner Beteiligung zum 31.03.1999 (bzw 26.10.2000). Nach den Regeln der objektiven Beweislast nämlich geht vorbehaltlich gegenteiliger gesetzlicher Bestimmungen die Nichtbeweisbarkeit steuerbegründender oder steuererhöhender Me...

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