Rn. 3011

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Nach dem Grundsatz der Tatbestandsverwirklichung (§ 38 AO) gibt es grds keine Rückwirkung im Steuerrecht, sofern diese nicht gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (zB § 20 Abs 8 UmwStG). Um den besonderen Umständen des Erbfalls und seinen unter Umständen nicht beabsichtigten Rechtsfolgen Rechnung zu tragen, lässt die FinVerw jedoch im Billigkeitswege eine rückwirkende Zurechnung der laufenden Einkünfte beim Erwerber zu, wenn die Erbengemeinschaft binnen sechs Monaten ab dem Erbfall auseinandergesetzt wird (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 8). Damit wird berücksichtigt, dass es sich bei der Erbengemeinschaft um eine gesetzliche Zufallsgemeinschaft handelt, die auf Auseinandersetzung angelegt ist.

 

Rn. 3012

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Mit der Rückwirkung können die laufenden Einkünfte daher ohne Zwischenzurechnung ab dem Erbfall ungeschmälert dem die Einkunftsquelle übernehmenden Miterben zugerechnet werden. Dies gilt auch bei Teilauseinandersetzungen. Liegt eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) des Erblassers vor und verhalten sich die Miterben tatsächlich bereits vor der Auseinandersetzung entsprechend dieser Anordnung, indem dem das Unternehmen fortführenden Miterben die Einkünfte zugewiesen werden, ist eine rückwirkende Zurechnung laufender Einkünfte auch über einen längeren Zeitraum, der sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren hat, vorzunehmen. Soweit laufende Einkünfte rückwirkend zugerechnet werden, ist die Auseinandersetzung steuerlich so zu behandeln, als ob sich die Erbengemeinschaft unmittelbar nach dem Erbfall auseinandergesetzt hätte (kein Zwischenerwerb der Erbengemeinschaft).

Solange die Teilungsanordnung von den Erben vor der Auseinandersetzung beachtet wird, sind die Veranlagungen vorläufig nach § 165 Abs 1 S 1 AO durchzuführen (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 8).

 

Beispiel: Auseinandersetzung binnen Sechsmonatsfrist

Zum Nachlass gehören ein Einzelunternehmen und PV. Die Erbengemeinschaft wird innerhalb von sechs Monaten dergestalt auseinandergesetzt, dass ein Miterbe das PV, der andere Miterbe das Unternehmen übernimmt.

Die gewerblichen Einkünfte sind vom Erbfall an ausschließlich dem den Betrieb übernehmenden Miterben zuzurechnen, die aus dem PV zufließenden Einkünfte (zB Dividenden, Mieteinnahmen) ausschließlich dem anderen Miterben.

 

Rn. 3013

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Es ist nicht erforderlich, dass die Auseinandersetzung innerhalb der Sechsmonatsfrist vollständig durch Übertragung der Vermögensgegenstände vollzogen wurde, allerdings muss, um die Rückwirkung in Anspruch nehmen zu können, eine klare und rechtlich bindende Vereinbarung über die Auseinandersetzung und ihre Modalitäten vorliegen. Diese Auseinandersetzungsvereinbarung muss den Übergang von Nutzungen und Lasten für die von dieser Auseinandersetzung betroffenen WG auf den Zeitpunkt des Erbfalls festlegen (BMF vom 14.03.2006, IV B 2 – S 2242–7/06, BStBl I 2006, 253 Tz 9).

 

Rn. 3014

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Die FinVerw lässt es zu, die Durchführung der Auseinandersetzung aufzuschieben, wenn noch eine Wertfindung erforderlich ist. Dies sollte mE auch für andere Umstände gelten, die einen Abschluss der Auseinandersetzung hinauszögern. Ob allerdings ungeklärte erbrechtliche Verhältnisse ebenfalls eine über sechs Monate hinausgehende Rückwirkungsfrist ermöglichen können (vgl Geck, KÖSDI 2011, 17 352), erscheint fraglich. Solange die Verhältnisse ungeklärt sind, dürfte es bereits an einer wirksamen Auseinandersetzungsvereinbarung fehlen.

Ein Rückwirkungszeitraum, der unter Umständen mehrere Jahre umfasst, dürfte den Rahmen überspannen und auch zu nicht unerheblichen praktischen Schwierigkeiten führen. Der BFH lässt jedoch auch eine längere Rückwirkungsfrist zu, da es nicht darum gehe, bereits eingetretene Steuerrechtsfolgen rückwirkend zu verändern, sondern auf den Todeszeitpunkt festzulegen, wer als Erbe gelten sollte, wie im Fall der vergleichsweisen Beilegung eines Streits mit einem Erbprätendenten (BFH vom 16.05.2013, IV R 15/10, BStBl II 2013, 858).

Ist eine testamentarische Teilungsanordnung dahingehend zu verstehen, dass der Gewinn des einem der Erben zugeteilten Unternehmens von einem vor der Verteilung liegenden Zeitpunkt an dem Übernehmer zustehen soll und verhalten sich die Erben dementsprechend, so ist dies auch steuerlich anzuerkennen. Die Anerkennung ist nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Auseinandersetzung erst nach Ablauf der im BMF vom 11.01.1993, BStBl I 1993, 62 Tz 8 und 9 enthaltenen Frist von sechs Monaten nach dem Erbfall stattfindet (BFH vom 04.05.2000, IV R 10/99, BStBl II 2002, 850).

 

Rn. 3015

Stand: EL 165 – ET: 06/2023

Diese Rückwirkungsmöglichkeit besteht insgesamt nur, wenn die Erbauseinandersetzung in der Weise erfolgt, dass der Nachlass auf einen oder mehrere Erben übergeht. Wird das Nachlassvermögen verkauft, bezieht sich die Rückwirkung nicht auf den erwerbenden Dritten, der nicht Erbe geworden i...

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