a) Begriff des Strukturwandels

 

Rn. 141

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Ein Strukturwandel liegt vor, wenn die Einkünfte eines Betriebs ab einem bestimmten Zeitpunkt einer anderen Einkunftsart als bisher zugerechnet werden, wenn sich also zB eine Tätigkeit, die bisher als Ausübung der Landwirtschaft anzusehen war, nachhaltig im Sinne einer gewerblichen Tätigkeit – als einer selbstständigen Erwerbsquelle – verändert hat (grundlegend BFH v 07.03.1957, BStBl III 1957, 165; BFH v 04.02.1976, BStBl II 1976, 423). Durch einen ganzheitlichen Strukturwandel entsteht kein neuer Betrieb, sondern es haben sich lediglich die für die Zurechnung der Einkünfte zu einer bestimmten Einkunftsart erheblichen Verhältnisse geändert. Der Strukturwandel kann sich in zwei Formen vollziehen; entweder geschieht er allmählich oder er beruht auf einem objektiv nach außen erkennbaren Entschluss des Landwirts.

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für den Fall, dass nur eine bestimmte Betätigung innerhalb eines als Einzelunternehmen geführten luf Gesamtbetriebs gewerblichen Charakter annimmt (zB die außerbetriebliche Erbringung von Dienstleistungen), ohne dass deshalb die übrige luf Betätigung gewerblich wird (BFH v 14.12.2006, BStBl II 2007, 541; BFH v 20.09.2007, BFH/NV 2008, 569). Insofern entsteht nach R 15.5 Abs 2 S 1 EStR 2012 ein Gewerbebetrieb neben dem luf Betrieb bzgl der schädlichen Betätigung, wobei die beiden schädlichen Gruppen (Handelsumsatz und Dienstleistungen) jeweils für sich zu beurteilen sind. Beruht die partiell gewerbliche Betätigung nicht auf Maßnahmen, die von Anfang an einen Gewerbebetrieb begründen, ist nach Ablauf des Beobachtungszeitraums von drei Jahren ab dem vierten Wj ein Gewerbebetrieb anzunehmen.

Zur Abgrenzung des allmählichen vom sofortigen Strukturwandel wird in den EStH 2020 ergänzend auf die BFH-Rspr verwiesen werden, wonach eine vom StPfl zu vertretende Kapazitätserweiterung um mehr als 10 % regelmäßig einen sofortigen Strukturwandel zur Folge hat (BFH v 19.02.2009, BStBl II 2009, 654; H 15.5 EStH 2020 "Strukturwandel").

b) Allmählicher Strukturwandel

 

Rn. 141a

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Ein allmählicher Strukturwandel ist gekennzeichnet von einem Bündel von Einzelmaßnahmen, deren erste vor und deren letzte nach der Wandlung des Betriebs liegen können (BFH v 07.10.1974, BStBl II 1975, 168) und die erst in ihrem Zusammenhang erkennen lassen, ob und von welchem Zeitpunkt ab sie zu einer neuen selbstständigen Erwerbsquelle führen. Demzufolge fordert die FinVerw in derartigen Fällen, dass die maßgeblichen Abgrenzungskriterien jeweils nachhaltig überschritten sind. Nachhaltigkeit idS soll nach Auffassung der FinVerw in R 15.5 Abs 2 EStR 2012 erst dann vorliegen, wenn die Grenzen in drei aufeinander folgenden Jahren überschritten sind (sog Ex-nunc-Lösung; BFH v 14.12.2006, BStBl II 2007, 541, so auch Leingärtner/Kreckl, Kap 12, Rz 34; R 15.5 Abs 2 S 2 EStR 2012).Die früher in Rspr (bspw BFH v 05.11.1974, BStBl II 1975, 118; BFH v 28.07.1987, BFH/NV 1988, 198; offen lassend BFH v 09.05.1996, BStBl II 1996, 550) und Teile des Schrifttums (Schmidt/Seeger, § 13 EStG Rz 85 mwN aF) vertretene Auffassung, die Gewerblichkeit ab dem Jahr anzunehmen, in dem der Wandel begonnen hat (sog Ex-tunc-Lösung) ist überholt.

Der Auffassung der FinVerw und des BFH ist mE zuzustimmen, weil das Gesetz selbst keine Rückwirkung vorsieht, wenngleich zuzugeben ist, dass sich hierdurch für den Landwirt in gewissem Umfang Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Danach ist ein vorübergehendes (einmaliges oder auch zweimaliges) Überschreiten der Abgrenzungskriterien unschädlich. Werden diese allerdings nachhaltig (also in drei Jahren hintereinander) überschritten, führt dies grundsätzlich (ab dem vierten Jahr) zur Gewerblichkeit der jeweiligen Betätigung, auch wenn die Überschreitung im jeweiligen Wj nur geringfügig gewesen sein sollte. Auf etwaige entgegenstehende Absichten des LuF kommt es dann nicht mehr an, weil Art, Umfang und Dauer der Dienstleistungen deren gewerblichen Charakter in den Vordergrund treten lassen.

c) Schlagartiger Strukturwandel

 

Rn. 141b

Stand: EL 158 – ET: 06/2022

Beruht das Überschreiten der maßgeblichen Abgrenzungskriterien auf einem nach außen hin objektiv erkennbaren Entschluss des Landwirts, bislang (noch) der Landwirtschaft zugerechnete Betätigungen erheblich auszuweiten, ist schon in der ersten Maßnahme, die der Umsetzung dieses Entschlusses dient, eine gewerbliche Betätigung zu sehen (BFH v 04.02.1976, BStBl II 1976, 423). Ein solcher Entschluss wird nach außen regelmäßig erkennbar, wenn der Landwirt zB erhebliche Investitionen für den Neubau oder die Erweiterung bestehender Stallanlagen vornimmt; Gleiches gilt, wenn er etwaige vertragliche Verpflichtungen eingegangen oder speziell WG angeschafft hat, die jeweils dazu führen, dass die Grenzen für die Annahme einer LuF erheblich überschritten werden. Vollzieht sich also der Strukturwandel schlagartig, führt dies uU bereits zur Annahme eines Gewerbebetriebs auch für dasjenige Wj, in dem der Strukturwandel abgeschlossen ist, wenn zB bereits in diesem Wj die Vie...

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