A. Normzweck und Bedeutung der Norm

 

Rn. 1

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Die ESt ist nach § 2 Abs 7 S 1 EStG eine Jahressteuer. Einkommensermittlungszeitraum ist gemäß § 2 Abs 7 S 2 EStG das Kj. Nach § 10d EStG ist es unter bestimmten Voraussetzungen und innerhalb bestimmter Grenzen zulässig, in einem VZ angefallene Verluste, die iRd Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, mit in einem anderen VZ anfallenden Gewinnen bzw Überschüssen zu verrechnen.

§ 10d EStG ist daher als Durchbrechung zum Prinzip der Abschnittsbesteuerung zu verstehen, mit der im Wesentlichen der Grundgedanke materieller Steuergerechtigkeit berücksichtigt werden soll; bereits s RFH RStBl 1930, 680 und seither st Rspr. Die Norm trägt somit den Gesichtspunkten des Leistungsfähigkeitsprinzips und des Härteausgleichs Rechnung und senkt in Aufweichung des Jahressteuerprinzips die Durchschnittsbesteuerung des Lebenseinkommens, s Kohlhaas, DStR 2002, 1250, 1251; K/S/M, § 10d EStG Rz 1; kritisch zur flexiblen Verlustverrechnung und hieraus resultierenden Steuerausfällen bei der KSt und ESt s Grotherr, BB 1998, 2337.

 

Rn. 2

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Systematisch ist die Stellung der Norm bei den SA im Grunde nicht gerechtfertigt, da die Vorschrift keinen privaten Abzug ermöglicht, sondern bei der Ermittlung des zvE vor den SA noch der interperiodischen Einkünfteermittlung zuzuordnen ist; auch s R 2 EStR 2012, glA Hallerbach in H/H/R, § 10d EStG Rz 7, 303. Erg-Lfg.

B. Entwicklung der Vorschrift

 

Rn. 3

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

Der Ansatz einer den VZ überschreitenden Durchschnittsbesteuerung war bereits im ersten ReichssteuerG von 1920 in Form einer dreijährigen Durchschnittsbesteuerung zu finden und wurde im EStG 1929 als Verlustabzug ausgestaltet. Nachdem die Verlustabzugsmöglichkeit 1934 abgeschafft wurde, ist sie 1938 wieder eingeführt worden. Nachfolgend soll lediglich ein grober Überblick über die weitere Rechtsentwicklung des steuerlichen Verlustabzugs vermittelt werden:

1954 (StNG v 16.12.1954, BGBl I 1954, 373) wurde der Verlustabzug systemkonsequent aus § 10 EStG herausgenommen, da es sich nicht um SA im eigentlichen Sinne handelt, s Begründung StNG 1954, BT-Drucks 2/481, 84; Seithel, DStR 1965, 353 und BFH v 18.12.1990, VIII R 7/87, BFH/NV 1991, 520 zur Rechtslage vor 1999 "wie SA" abzuziehen.

1976 (EStÄndG v 20.04.1976, BGBl I 1976, 1054) entfiel die Voraussetzung, dass die Gewinne aufgrund ordnungsgemäßer Buchführung ermittelt werden müssen, und der Verlustabzug wurde mit Ausnahme von Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr 3 EStG auf alle Einkunftsarten ausgedehnt. Bislang war die Verlustabzugsmöglichkeit Gewerbetreibenden, LuF und Selbstständigen vorbehalten. Zudem wurde der Verlustrücktrag eingeführt.

1982 (2. HStruktG 1981, BGBl I 1981, 1523) wurde die Verlustrücktragsmöglichkeit auf zwei Jahre ausgedehnt.

Ab VZ 1983 (StEntlG 1984, BGBl I 1983, 1583) wurde der rücktragsfähige Verlust von 5 Mio DM auf 10 Mio DM erhöht.

Das StReformG 1990 v 25.07.1988 (BGBl I 1093) sah erstmals für nichtausgeglichene Verluste, die ab VZ 1985 entstanden sind, einen zeitlich unbegrenzten Verlustvortrag vor, nachdem bis dahin eine lediglich fünfjährige Verlustvortragsmöglichkeit bestand. Mit dem StReformG 1990 wurde auch die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags eingeführt und der Verlustabzug beim Mantelkauf durch § 8 Abs 4 KStG ausgeschlossen. Für das Gebiet der ehemaligen DDR enthält § 57 Abs 4 EStG eine Sonderregelung.

Das StandOG v 13.09.1993 (BGBl I 1993, 1569) eröffnete die Möglichkeit, auf den Verlustrücktrag zu verzichten.

Mit dem StEntlG 1999/2000/2002 v 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) wurde mit der in § 2 Abs 3 EStG und § 10d EStG eingeführten vertikalen Verlustausgleichsbeschränkung die Verlustberücksichtigung erheblich eingeschränkt; zur Begründung (Haushaltssicherung und Steuervereinfachung) s BT-Drucks 14/23, 175; zu Einzelheiten s Rn 35ff. Weitere wesentliche Änderungen waren die Beschränkung des Verlustrücktrags auf den unmittelbar zurückgehenden VZ und die Begrenzung des Verlustrücktrags von DM 10 Mio auf DM 2 Mio für das Verlustentstehungsjahr 1999. Zudem ist der Verlustabzug mit dem StEntlG 1999/2000/2002 vorrangig vor SA, ag Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen vorzunehmen. Der Begriff "Verlust" wurde durch "negative Einkünfte" ersetzt; die Überschrift spricht allerdings noch von Verlust und in Abs 1 S 1 heißt es weiterhin Verlustrücktrag. Das StSenkG v 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) brachte die Beschränkung des Verlustrücktrags von 2 Mio DM auf 1 Mio DM.

Mit dem Korb-II-G v 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840) wurden die Bestimmungen über die vertikale Verlustausgleichsbeschränkung in den § 2 Abs 3 S 2–8 EStG wieder aufgehoben, wodurch 40 Seiten komplizierteste Erläuterungsversuche in EStH 2002, 9–22 und 431–463 weggefallen sind (und denen "sicherlich keiner nachweinen wird"; s Dötsch/Pung, DB 2004, 151), § 10d EStG entsprechend geändert und durch eine sog Mittelstandskomponente ergänzt, wonach Verluste in übersichtlichem Umfang bis EUR 1 Mio bzw EUR 2 Mio au...

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