Generell sieht § 166 BewG keine abweichende Wertfeststellung z.B. über ein entspr. Gutachten vor. Ein Verweis auf die Nachweismöglichkeit über § 198 BewG enthält die Vorschrift nicht. Gleichwohl soll unter besonderen Umständen der Ansatz eines geringeren Wertes, als der, der sich unter der Prämisse des § 166 BewG ergibt, möglich sein.

Dies gilt immer dann, wenn über eine zeitnahe Veräußerung oder ein Wertgutachten nachgewiesen wird, dass der Liquidationswert tatsächlich im wirtschaftlichen Verkehr nicht erzielt werden kann. Insbesondere bei zeitnahen Veräußerungen stellt sich dann die Frage, ob eine Korrektur des Liquidationswertes auf den nachgewiesenen Kaufpreis möglich ist. Die Frage ist also, ob und wenn in welchem Umfang eine Korrektur bzw. ein Abweichen vom Liquidationswert zulässig ist.

Zu beachten ist hierbei grundsätzlich, dass das Gesetz selbst keine entspr. Korrektur ermöglicht. Die Vorschrift des § 198 BewG ist i.R.d. Ermittlung des Liquidationswertes nicht anwendbar, da sie keinen Verweis auf die Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe enthält, sondern sich ausschließlich auf die Bewertung des Grundvermögens bezieht. Die Rspr. hat daraus den Schluss gezogen, dass bei der Ermittlung des Liquidationswertes die Berücksichtigung zeitnaher Veräußerungen mangels einer entspr. Öffnungsklausel nicht möglich ist (FG Nürnberg v. 14.1.2016 – 4 K 814/15, EFG 2016, 1401 = ErbStB 2016, 269 [Rothenberger]).

In dem dagegen eingelegten Revisionsverfahren hat der BFH allerdings festgestellt, das für den Fall, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert der kurze Zeit nach dem Erbanfall veräußerten land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen wesentlich niedriger ist als der nach § 166 BewG ermittelte Liquidationswert, der niedrigere gemeine Wert als Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaftsteuer festgestellt werden kann (BFH v. 30.1.2019 – II R 9/16, BStBl. II 2019, 599 = ErbStB 2019, 159 [Marfels]). Offen blieb allerdings die Frage, wann ein wesentlich niedrigerer Wert anzunehmen ist.

Somit stellte sich bei einer deutlichen Differenz zwischen dem Gutachtenwert oder dem Erlös aus einer zeitnahen Veräußerung die Frage, ob die pauschale Wertermittlung gegen das allgemeine Übermaßverbot (BVerfG v. 5.4.1978 – 1 BvR 117/73, BStBl. II 1978, 441) verstößt. Bei der Beantwortung dieser Frage ist allerdings zu beachten, dass das BVerfG generell den gemeinen Wert als vorrangigen Bewertungsmaßstab ansieht (BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = ErbStB 2007, 64 [Heinrichshofen]).

Aus den Entscheidungen des BVerfG hat der BFH in mehreren Entscheidungen geschlossen, dass mit dem Ansatz des gemeinen Wertes auch dem Übermaßverbot Rechnung getragen werden könne (vgl. BFH v. 29.9.2004 – II R 57/02, BStBl. II 2004, 1041; BFH v. 5.5.2004 – II R 45/01, BStBl. II 2004, 1036 = ErbStB 2004, 245 [Halaczinsky]). Das Übermaßverbot sah der BFH danach als verletzt an, wenn die sich bei einer typisierenden Bewertung ergebenden Werte extrem über das nomale Maß hinausgehen.

Beraterhinweis Wann dies der Fall ist, wurde in der bisherigen Rspr. allerdings nicht allgemeingültig festgelegt. Als extrem über das normale Maß hinausgehende Werte wurden z.B. das Dreifache des gemeinen Werts (BFH v. 5.5.2004 – II R 45/01, BStBl. II 2004, 1036 = ErbStB 2004, 245 [Halaczinsky]) oder das rund 1,4fache eines sich aus dem Bodenrichtwert errechneten Verkehrswerts (BFH v. 23.10.2002 – II B 153/01, BStBl. II 2003, 118) angesehen. In seiner Entscheidung vom 30.1.2019 (BFH v. 30.1.2019 – II R 9/16, BStBl. II 2019, 599 = ErbStB 2019, 159 [Marfels]) kam der BFH ebenfalls zu einem Verstoß gegen das Übermaßverbot; hier betrug der festgestellte Liquidationswert das 1,55fache des zeitnahen Veräußerungsgewinns. Nach dem BFH, Urt. v. 11.12.2013 ist eine Bewertungsdifferenz von um die 10 % als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen (BFH v. 11.12.2013 – II R 22/11, BFH/NV 2014, 1086 = ErbStB 2014, 181 [Grootens]).

In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH jetzt allerdings diese Grenze definiert. In seinem Urteil vom 16.11.2022 (BFH v. 16.11.2022 – II R 39/20, BFH/NV 2023, 409 = ErbStB 2023, 98 [Marfels]) geht er davon aus, dass eine Verletzung des Übermaßverbotes nur dann vorliegt, wenn der vom FA festgestellte Liquidationswert den nachgewiesenen gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt. Der BFH begründet das mit der Rspr. des BVerfG (BVerfG v. 5.4.1978 – 1 BvR 117/73, BStBl. II 1978, 441).

Danach ist das Übermaßverbot nur dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen. Der BFH folgert aus der Rspr. des BVerfG, dass die Erheblichkeitsschwelle innerhalb der Spanne, die durch die bisherigen Entscheidungen des BFH vorgegeben ist, am oberen Rand angesiedelt werden muss. Dem erkennenden Senat erscheint es deshalb angemessen, eine Verletzung des Übermaßverbots regelmäßig erst dann zu bejahen, wenn der vom F...

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