Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Erledigungserklärung des Gläubigers bei einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Bewertung eines Antrags an die Finanzverwaltung als rechtsmissbräuchliches Druckmittel gegenüber dem Schuldner. Druckantrag Finanzverwaltung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erklärt der antragstellende Gläubiger seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für erledigt, und schließt sich der Schuldner dieser Erledigungserklärung an, ist das Eröffnungsbegehren nicht mehr anhängig. Es ist dann nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen.

2. Für die Kostenentscheidung ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Eröffnungsantrag im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig, insbesondere ob der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht war. Weitere Ermittlungen, ob ein Eröffnungsgrund tatsächlich vorgelegen hat, finden hierzu nicht statt. War der Antrag zulässig, so sind die Kosten des Verfahrens in der Regel dem Schuldner aufzuerlegen. Eine Kostenentscheidung zu Lasten des antragstellenden Gläubigers kommt hingegen in Betracht, wenn sich eine Zurückweisung des Eröffnungsantrags als unzulässig abzeichnet oder die gerichtlichen Ermittlungen schwerwiegende Zweifel daran ergeben haben, dass zur Zeit der Antragstellung ein Eröffnungsgrund vorlag.

3. Ist ein Finanzamt der Antragsteller, reicht zur Zulässigkeit des Antrags die Vorlage einer internen Rückstandsaufstellung aus, wenn die ausstehenden Steuern unstreitig sind. Der Zulässigkeit eines Antrags steht auch nicht entgegen, wenn der Schuldner nachträglich die Forderungen begleicht. Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er wegen eines objektiven, kurzfristig nicht zu behebenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Dauer eines Zahlungsrückstands von teils über einem Jahr deutet darauf hin, dass nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung, sondern Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Dies wird durch einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch bestätigt.

4. Nur wenn ein missbräuchlicher Eröffnungsantrag vorliegt, entspricht es dem bisherigen Sach- und Streitstand und in der Regel auch dem billigen Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem antragstellenden Gläubiger aufzuerlegen.

 

Normenkette

ZPO § 91a Abs. 2; InsO §§ 4, 6

 

Verfahrensgang

AG Köln (Beschluss vom 22.05.2012; Aktenzeichen 72 IN 182/12)

BGH (Beschluss vom 15.12.2011; Aktenzeichen IX ZB 180/11)

BGH (Beschluss vom 25.09.2008; Aktenzeichen IX ZB 131/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln (72 IN 182/12) vom 22.05.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist nach §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 4, 6 Abs. 1 InsO an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache ist sie indes nicht begründet.

Im Einzelnen:

Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann von dem antragstellenden Gläubiger für erledigt erklärt werden; schließt sich der Schuldner dieser Erledigung an, ist das Eröffnungsbegehren nicht mehr anhängig und nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen (BGH, NZI 2008, 736 [BGH 25.09.2008 – IX ZB 131/07]). So liegt es hier.

Für die im Streit stehende Kostenentscheidung ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Eröffnungsantrag im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig, insbesondere der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht war. Weitere Ermittlungen, ob ein Eröffnungsgrund tatsächlich vorgelegen hat, finden hierzu im Rahmen der Entscheidung über die Kosten nicht statt. War der Antrag zulässig, so sind die Kosten des Verfahrens in der Regel dem Schuldner aufzuerlegen. Eine Kostenentscheidung zu Lasten des antragstellenden Gläubigers kommt hingegen in Betracht, wenn sich eine Zurückweisung des Eröffnungsantrags als unzulässig abzeichnet oder die gerichtlichen Ermittlungen schwerwiegende Zweifel daran ergeben haben, dass zur Zeit der Antragstellung ein Eröffnungsgrund vorlag.

Hier steht zunächst die fehlende Vorlage der ergangenen Steuerbescheide und gegebenenfalls der Steuervoranmeldungen des Schuldners und die statt dessen erfolgte Vorlage eines bloßen internen Rückstandsaufstellung durch das antragstellende Finanzamt dem Antrag nicht entgegen, weil die ausstehenden und näher bezeichneten Steuern vollständig unstreitig sind (vgl. dazu BGH, NZI 2012, 95 [BGH 15.12.2011 – IX ZB 180/11] m.w.N.).

Die Zulässigkeit des Antrags wird auch nicht ernstlich dadurch erschüttert, dass der Schuldner nachträglich die Forderung beglichen hat. Zweifel an der Zahlungsunfähigkeit ergeben sich hierdurch nicht. Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er wegen eines objektiven, kurzfristig nicht zu behebenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Der Gesetzgeber der Konkursordnung hat dazu in prägnanten, auch für die Insolvenzordnung weiterhin Geltung beanspruchenden Worten ausgeführt: „So lange dersel...

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