Entscheidungsstichwort (Thema)

Eintrag des unspezifischen Gläubigerantrags gegen eine natürliche Person im Regelinsolvenzverfahren bei Fehlen von Auslegungsanhaltspunkten ist sachgerecht. Anforderungen an die Sachdienlichkeit des Eintrags eines unspezifischen Gläubigerantrags gegen eine natürliche Person im Regelinsolvenzverfahren bei Fehlen von Auslegungsanhaltspunkten. Notwendigkeit einer Gewährung rechtlichen Gehörs zu den Ermittlungsergebnissen gegenüber den Beteiligten

 

Leitsatz (amtlich)

I. Im Verfahren auf Gläubigerantrag gegen eine natürliche Person ohne Festlegung des Antragstellers auf eine bestimmte Verfahrensart ist es sachgerecht, wenn das Insolvenzgericht bei Fehlen von Auslegungsanhaltspunkten den unspezifischen Antrag zunächst nach dem gesetzlichen Regel-/Ausnahmeverhältnis als Antrag im Regelinsolvenzverfahren einträgt.

II. Ergibt die folgende Amtsermittlung, dass diese Verfahrensart nicht zu trifft, ist den Beteiligten zu den Ermittlungsergebnissen rechtliches Gehör zu gewähren. Wenn der Insolvenzrichter in diesem Rahmen ausdrücklich dazu auffordert, binnen einer Frist mitzuteilen, ob der Antrag im Verbraucherinsolvenzverfahren fortgesetzt werden soll, und für den Fall des Ausbleibens einer solchen Mitteilung ankündigt, den Antrag in der gewählten Verfahrensart als unzulässig zurückzuweisen, muss der Antragsteller reagieren, um die angekündigte gerichtliche Entscheidung zu vermeiden.

 

Normenkette

InsO §§ 14, 304; ZPO § 139; InsO § 34 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Mitte (Beschluss vom 09.06.2011; Aktenzeichen 67c IN 155/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der antragsteifenden Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg (Az.: 67c IN 155/11) vom 09.06.2011 wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von EUR 0,00 zurückgewiesen, soweit der Eröffnungsantrag der Gläubigerin als unzulässig abgewiesen wurde.

 

Tatbestand

I.

Mit Schreiben vom 12.04.2011 stellte die Beschwerdeführerin Gläubigerantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Ausführungen, ob allein ein Regel- oder nur ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt werden solle, enthielt der Antrag nicht. Das Insolvenzgericht hielt den Antrag für zulässig und leitete die Schuldneranhörung ein. Der Schuldner übersandte den ausgefüllten Anhörungsfragebogen und stellte am 16.05.2011 Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Mit Anschreiben vom 20.05.2011 teilte das Amtsgericht der Beschwerdeführerin und dem Schuldner mit, dass aufgrund der Auskünfte des Schuldners das Verbraucherinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart sei, und forderte beide auf, binnen 10 Tagen mitzuteilen, ob der Antrag im Verbraucherinsolvenzverfahren fortgesetzt werden solle, anderenfalls sei damit zu rechnen, dass der Antrag als in der gewählten Verfahrensart unzulässig zurückgewiesen werde. Dieses Schreiben wurde der Beschwerdeführerin am 25.05.2011 und dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners am 26.05.2011 zugestellt. Nachdem keine Stellungnahme erfolgte, wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 09.06.2011 beide Eröffnungsanträge als unzulässig zurück, da die Verfahrensart nicht korrekt gewählt worden sei. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer am 22.06.2011 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Eine Stellungnahme des Antragstellers zur Verfahrensart als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Gläubigerantrag sei nicht erforderlich.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Hamburg zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 4, 34 Abs. 1 InsO, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die gesetzliche Konstruktion sieht das Verbraucherinsolvenzverfahren als Ausnahme von dem Regelinsolvenzverfahren an. Legt der Antragsteller sich in seinem Insolvenzantrag nicht auf eine bestimmte Verfahrensart fest, sondern formuliert er diesen offen, hat das Gericht diesen Antrag entsprechend den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen sachdienlich auszulegen. Maßstab bei dieser Auslegung ist nicht das Ziel einer schnellstmöglichen Verfahrenserledigung, sondern das mutmaßliche Interesse des Antragstellers. Gibt es hierfür zunächst keine weiteren Anhaltspunkte, ist es sachgerecht, dass das Gericht zur Auslegung auf die gesetzliche Regel-/Ausnahmekonstruktion zurückgreift und den unspezifischen Antrag als Antrag auf Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens auslegt und als solchen einträgt.

Im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht hat das Insolvenzgericht sodann die Richtigkeit dieser Verfahrenswahl zu überprüfen. Ergibt die Amtsermittlung, dass die ursprünglich vom Insolvenzgericht ausgewählte Verfahrensart für den betroffenen Schuldner nicht in Betracht kommt, enthält die Insolvenzordnung keine speziellen Regelungen, so dass allgemeine Verfahrensgrundsätze anzuwenden sind. Danach ist allen Beteiligten vor einer Entscheidung des Insolvenzgerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Dies setzt allerdings nicht zwingend voraus, dass d...

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