Leitsatz

Die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Legen eines Hausanschlusses) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt fällt unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG und ist deshalb mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern, wenn die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher erbracht wird.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG, § 4 Abs. 3 KStG, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 2, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 2 der 6. EG-RL, BMF, Schreiben vom 27.12.1983, Tz. 92 (BStBl I 1983, 567, 581); vom 04.07.2000 (BStBl I 2000, 1185) und vom 05.08.2004, Tz. 119 (BStBl I 2004, 638, 676)

 

Sachverhalt

Der Kläger (Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung), der Kunden mit Wasser beliefert, legte auf Verlangen von Grundstückseigentümern gegen Kostenerstattung Hausanschlüsse, d.h. er verband sein Wasser-Verteilernetz mit der jeweiligen Anlage des Grundstückseigentümers. Die Hausanschlüsse blieben im Eigentum des Klägers.

Das FA nahm insoweit eine selbstständige Hauptleistung "Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das Wasserversorgungsnetz" an, die mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sei. Das FG sah eine einheitliche Leistung, die ermäßigt zu besteuern sei (Sächsisches FG, Urteil vom 24.09.2003, 4 K 226/01, Haufe-Index 1062257, EFG 2004, 689).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte im Ergebnis das FG. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Ermäßigt zu besteuern ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 34 der Anlage u.a. die "Lieferung von Wasser". "Lieferung von Wasser" wird in der 6. EG-RL (und auch in der MwStSystRL) an zwei Stellen verwendet: Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind bei der "Lieferung von Wasser" auch dann als Steuerpflichtige anzusehen, wenn sie dabei im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden, und ein ermäßigter Steuersatz darf auch angewendet werden bei der "Lieferung von Wasser".

Diesen Begriff hatte der EuGH auf entsprechende Frage des BFH definiert (Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-442/05, "Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien", BFH/PR 2008, 318, BFH/NV Beilage 2008, 212): Unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" fällt auch das Legen eines Hausanschlusses, d.h. die Verlegung einer Leitung, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht.

Zum ermäßigten Steuersatz ergänzt der EuGH, die Mitgliedstaaten können – unter Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität – konkrete und spezifische Aspekte der "Lieferungen von Wasser" – wie das im Ausgangsverfahren fragliche Legen eines Hausanschlusses – mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen. Dazu erläutert der EuGH lediglich, der Anschluss sei für die Wasserbereitstellung unentbehrlich, verwendet aber nicht Kategorien wie Haupt- und Nebenleistung und subsumiert also das Legen des Hausanschlusses unter den Begriff "Lieferungen von Wasser". Das hat Folgen.

2. Verwendet das nationale Recht denselben Begriff wie das Gemeinschaftsrecht, sind beide Begriffe gleich auszulegen.

Fallen unter "Lieferung von Wasser" nicht nur die Wasserlieferung selbst, sondern auch das Legen der Hausanschlüsse, ist damit nur der gemeinschaftsrechtliche Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten – unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes – frei sind, einzelne Aspekte herauszugreifen. Sie müssen den Rahmen nicht ganz ausschöpfen.

3. Kann ein Mitgliedstaat danach innerhalb des gemeinschaftsrechtlich gesteckten Rahmens auch nur einzelne Aspekte ermäßigen, muss er dies aber eindeutig tun. Verwaltungsregelungen – wie z.B. ein BMF-Schreiben (hier: BStBl I 2000, 1185 und BStBl I 2004, 638, 676) – reichen insoweit nicht aus, wie der EuGH bereits entschieden hat. Der Regelung in der Anlage 34 zu § 12 UStG ließ sich eine – gemeinschaftsrechtlich zulässige – Beschränkung auf die Wasserlieferung selbst nicht entnehmen.

Wenn – so der EuGH – das Legen eines Hausanschlusses unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" fällt, kam es auf die Frage, ob es sich dabei um eine Lieferung eines Gegenstands oder um eine sonstige Leistung (Dienstleistung) handelte, offenbar nicht an. Auch die Verweisung auf die Unterposition 2201 9000 des Zolltarifs führte nicht weiter. Grundsätzlich richtet sich die Reichweite einer Steuerermäßigung nach dem Zolltarif, wenn in der Anlage zum UStG darauf verwiesen wird. Nr. 34 der Anlage zum UStG nimmt aber von der Steuerermäßigung für die "Lieferungen von Wasser" – worunter, wie ausgeführt, auch das Verlegen von Hausanschlüssen fällt – lediglich bestimmte Arten von Wasser aus ("ausgenommen") und verweist hierzu auf die Unterposition 2201 9000 des Zolltarifs. Diese Ausnahmen (Trinkwasser in Fertigpackungen, Heilwasser und Wasserdampf) haben für das Legen von Ha...

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