Entscheidungsstichwort (Thema)
Status eines zum Geschäftsführer angestellten Dienstnehmers vor seiner Bestellung zum Organmitglied – Notwendigkeit der Abmahnung vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des sog. freien, selbständigen Dienstnehmers gegenüber dem Dienstherrn
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Dienstnehmer, dessen Anstellungsvertrag mit dem Ziel der Bestellung zum Organmitglied mit vorgeschalteter Probezeit geschlossen worden ist, ist für die Zeit vor seiner Bestellung nicht als Arbeitnehmer anzusehen.
2. In gleicher Weise, wie ein Arbeitgeber bei einem pflichtwidrigen Verhalten des Arbeitnehmers nicht sofort zur außerordentlichen Kündigung greifen darf, sondern zunächst den Arbeitnehmer abzumahnen hat, bedarf es auch in aller Regel bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers zuvor der erfolglosen Abmahnung des Arbeitgebers (Bestätigung von LAG Hamm, Urt. v. 18.06.1991 – 1 Sa 527/91, NZA 1985, 159).
3. Diese Grundsätze gelten auch für die Kündigung eines Dienstverhältnisses, und zwar nicht nur für die Kündigung des Dienstherrn gegenüber dem sog. freien, selbständigen Dienstnehmer, sondern auch für die Kündigung des sog. freien, selbständigen Dienstnehmers gegenüber dem Dienstherrn.
Normenkette
BGB § 628; KSchG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 24.03.2000; Aktenzeichen 2 Ca 2247/98) |
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 11.06.1999; Aktenzeichen 2 Ca 2247/98) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Beklagten zu 1) gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bocholt/Gerichtstag Coesfeld vom 11.06.1999 (2 Ca 2247/98) und gegen das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Bocholt/Gerichtstag Coesfeld vom 24.03.2000 (2 Ca 2247/98) werden zurückgewiesen.
Die Anschlußberufung des Klägers wird auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1) zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger und die Beklagte zu 1) je zu ½ zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren 4 Sa 886/00 bis zur Verbindung auf 100.975,88 DM = 51.628,15 EUR und für das Berufungsverfahren 4 Sa 1413/99 bis zur Verbindung auf 90.075,31 DM = 46.056,77 EUR und für das Teilurteil auf 191.051,19 DM = 97.682,92 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche, die aus einer vom Kläger ausgesprochenen Kündigung seines Anstellungsverhältnisses herrühren.
Die Beklagte zu 2), die im Handelsregister des Amtsgerichts Dülmen unter der Registernummer HRA 40 eingetragen ist, betreibt in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft in D2xxxx-B6xxxxx einen Baustoffhandel sowie ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Ihre Komplementärin ist die Beklagte zu 1), die in der Rechtsform einer GmbH von dem Geschäftsführer S1xxxxxxx W1xxxxxxx, der zugleich maßgebender Gesellschafter beider Gesellschaften ist, geführt wird und die im Handelsregister des Amtsgerichts Dülmen unter der Registernummer HRB 12xx eingetragen ist.
Der am 13.11.1966 geborene, verheiratete Kläger war bis Ende 1997 in M2xxxxx bei der Unternehmensberatung R2xxxx B4xxxx & P2xxxxx GmbH tätig. Am 18.09.1997 schloß er mit Wirkung vom 01.01.1998 mit der Beklagten zu 1) einen Geschäftsführervertrag (abgekürzt: GV), in welchem es u.a. heißt:
§ 1
Tätigkeit und Verantwortung
(1) Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weisungen der Gesellschafterversammlung sind zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegenstehen.
(2) Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns unter Wahrung der Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen.
(3) Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
§ 2
Einzelne Aufgaben
(1) Dem Geschäftsführer obliegt die Leitung und Überwachung des Unternehmens im ganzen. Ihm steht Einzelgeschäftsführungs- und Einzelvertretungsbefugnis zu. Er wird alleinverantwortlich die gesamte kaufmännische, technische und organisatorische Leitung der GmbH und der KG wahrnehmen, in der der GmbH kraft ihrer Komplementärstellung die Geschäftsführung obliegt.
(2) Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
…
§ 2a
Zustimmungspflichtige Geschäfte
(1) Folgende Geschäfte darf der Geschäftsführer nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung vornehmen:
- Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken
- Errichtung oder Veränderung von Gebäuden
- Beteiligung an anderen Unternehmen
- Eingehen von Verbindlichkeiten und Wechselverbindlichkeiten über DM 10.000 (zehntausend)
- Übernahme von Bürgschaften oder Aufnahme und Gewährung von Darlehn
- Eingehen von dem Gesellschaftszweck nicht entsprechenden Geschäften
…
§ 5
Bezüge des Geschäftsführers
(1) Der Geschäftsführer erhält ein festes Jahresgehalt von ...