Leitsatz

Archäologische Gegenstände im Sinne der Verordnung (EG) über die Ausfuhr von Kulturgütern (VO Nr. 116/2009) sind nur solche, die einen Wert für die Archäologie haben, also von Menschenhand geschaffene oder bearbeitete Gegenstände, die Erkenntnisse über vergangene Kulturen zu vermitteln vermögen, insbesondere etwa über deren Gebräuche, den damaligen technischen und künstlerischen Entwicklungsstand, politische und gesellschaftliche Strukturen, die Religion und dergleichen mehr. Gegenstände, die anderweit gewonnene Erkenntnisse über vergangene Kulturen allenfalls illustrieren und deshalb für die Archäologie keine Bedeutung haben, sind keine "archäologischen Gegenstände" oder Funde.

Antike Münzen können archäologische Gegenstände sein.

 

Normenkette

VO (EG) Nr. 116/2009

 

Sachverhalt

Ein Münzhändler hatte beim HZA eine Ausfuhranmeldung über 32 Münzen und Medaillen abgegeben, die – wie in der Anlage zur Ausfuhranmeldung erläutert wurde – 1500 bis 2400 Jahre alt und zwischen 50 EUR und 400 EUR wert seien. Das HZA hat die Annahme dieser Anmeldung abgelehnt, weil es sich um Kulturgüter i.S.d. Art. 1, Anh. A Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9.12.1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern (ABlEG Nr. L 395/1) handele, für die eine Ausfuhrgenehmigung vorgelegt werden müsse.

Auf die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.5.2011, 11 K 5936/08, Haufe-Index 2808871) – unter Abweisung derselben im Übrigen – Erkenntnisse über das HZA verpflichtet, den Kläger erneut zu bescheiden. Das FG ist der Auffassung, bei den Ausfuhrwaren handele es sich zwar um Kulturgüter i.S. d. VO Nr. 3911/92 bzw. der insofern seit dem 2.3.2009 anzuwendenden Verordnung (EG) Nr. 116/2009 (ABlEU Nr. L 39/1), sodass der Kläger die Annahme der Ausfuhranmeldung ohne Vorlage einer Ausfuhrgenehmigung nicht verlangen könne.

Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 116/2009 räume den Mitgliedstaaten jedoch ein Ermessen ein, Ausnahmen von der generellen Ausfuhrgenehmigungspflicht zu machen. Dieses Ermessen habe das HZA bisher nicht ausgeübt.

 

Entscheidung

Der BFH hat das HZA zur Annahme der Zollanmeldung verpflichtet. Es handele sich nicht um Kulturgüter. Ob anderenfalls – wie das FG meint – eine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen wäre, konnte folglich unerörtert bleiben (siehe aber oben 2. der Praxis-Hinweise).

 

Hinweis

1."Kulturgüter" dürfen aus dem Zollgebiet der Union nur ausgeführt werden, wenn eine Ausfuhrgenehmigung vorliegt. Als Kulturgüter gelten nach Art. 1 VO 116/2009 die in ihrem Anhang I aufgeführten Güter, mithin u.a. mehr als 100 Jahre alte archäologische Gegenstände aus Grabungen und archäologischen Funden zu Lande oder unter Wasser, archäologischen Stätten und archäologischen Sammlungen. Wird von dem Zollbeteiligten eine solche Ausfuhrgenehmigung für die von ihm gestellten Objekte nicht vorgelegt, obwohl es sich um Kulturgüter i. S. d. VO Nr. 116/2009 handelt, kann er nicht nach Art. 63, 62 Abs. 2 ZK verlangen, dass das HZA seine Zollanmeldung annimmt.

Die VO 116/2009 soll der Durchsetzung der Schutzmaßnahmen aller Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der Union dienen, d.h. sicherstellen, dass diese dort beachtet und eine mit ihnen nicht vereinbare Ausfuhr als nationale Kulturgüter schutzbedürftiger Gegenstände verhindert wird.

Das gilt nicht nur für Gegenstände, die gem. § 1 des (deutschen) KultgSchG in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes aufgenommen sind.

Ob Gegenstände "archäologische Gegenstände" sind, lässt sich indes nicht allein anhand ihres Alters und ihrer Herkunft aus Funden oder Grabungen beurteilen. Ein archäologischer Gegenstand ist vielmehr nur ein solcher, der einen Wert für die Archäologie hat, also ein von Menschenhand geschaffener oder bearbeiteter Gegenstand, der Erkenntnisse über vergangene Kulturen zu vermitteln vermag; zu solchen gehören insbesondere Erkenntnis über deren Gebräuche, den damaligen technischen und künstlerischen Entwicklungsstand, politische und gesellschaftliche Strukturen, die Religion und dergleichen mehr. Gegenstände, die anderweit gewonnene Erkenntnisse über vergangene Kulturen allenfalls illustrieren und deshalb für die Archäologie keine Bedeutung haben, sind keine "archäologischen Gegenstände" oder Funde i.S.d. Anh. I VO 116/2009.

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung der "Sammlungen von ... numismatischem Wert" in Anh. I.A Nr. 13 Buchst. b VO 116/2009 können aber auch einzelne Münzen unter dem Schutz der Verordnung stehen, wenn sie einen "archäologischen" Wert haben und nicht, wie zum Beispiel auch Briefmarken oder Bierfilze, der Befriedigung der Sammelleidenschaft dienen.

Alte Münzen dürften in der Regel keinen solchen archäologischen Wert haben und deshalb keine archäologischen Gegenstände sein, weil es sie oft in großer Anzahl gibt und sie meist nicht einmal einem bestimmten Fundort zugeordnet werden können.

2. Der BFH musste sich mit den Erwägungen des FG im Streitfall nicht auseinandersetzen, dass das HZA nach seinem Ermessen von der Vo...

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