Bei einem Hard Fork[1] stellt sich die Frage,

  • ob der Bezug der neuen Coins unter § 22 Nr. 3 EStG fällt,
  • ob und ggf. ab wann die neuen Coins als angeschafft i. S. d. § 23 EStG gelten und
  • wie mit den Anschaffungskosten der alten Coins umzugehen ist, ob diese also zum Teil auf die neuen Coins überspringen.

Bei dem Bitcoin Fork im Jahre 2017 hat der Inhaber beispielsweise seine Bitcoins behalten und gleichzeitig die gleiche Anzahl an Bitcoin Cash hinzubekommen.

Bei einem späteren Verkauf etwa von Bitcoins oder Bitcoin Cash jeweils innerhalb der Frist des § 23 EStG, stellt sich die Frage, wie mit den Anschaffungskosten des Bitcoins umzugehen ist, also ob und ggf. wie diese zwischen den alten Coins (Bitcoin) und den neuen Coins (Bitcoin Cash) aufzuteilen sind.

Österreich[2] knüpft hinsichtlich der neuen Coins an den Anschaffungszeitpunkt der alten Coins an. Der jeweilige Anschaffungszeitpunkt der alten Coins entspricht dem jeweiligen Anschaffungszeitpunkt der neuen Coins.[3] Die entsprechende Anzahl der neuen Coins ist so lange in der Frist des § 23 EStG, wie die entsprechenden alten Coins, aus der die neuen Coins hervorgegangen sind. Nach dieser Auffassung muss für jeden einzelnen neuen Coin festgestellt werden, wann der entsprechende alte Coin angeschafft wurde. In Österreich[4] werden zudem die Anschaffungskosten nicht aufgeteilt, sondern weiterhin in vollem Umfang den alten Coins zugerechnet. Die Anschaffungskosten der neuen Coins betragen mithin Null. Gewinne aus dem Verkauf der neuen Coins sind somit zu 100 % steuerpflichtig.

Teile der Literatur[5] sind – u. E. zutreffend – der Auffassung, dass hinsichtlich der neuen Coins kein Anschaffungsvorgang, also kein entgeltlicher Rechtserwerb[6] vorliegt. Es fehlt sowohl an einem beteiligten Dritten als auch an der notwendigen Entgeltlichkeit.[7] Eine Veräußerung der neuen Coins ist nach dieser Auffassung ungeachtet der Frist des § 23 EStG nicht steuerbar. Demzufolge stellt sich auch nicht die Frage nach einer Aufteilung der Anschaffungskosten. Diese werden weiterhin den alten Coins zugerechnet. Die meisten Vertreter dieser Auffassung sind zudem richtigerweise der Auffassung, dass auch der Bezug der neuen Coins nicht steuerbar ist.[8] Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG liegen nicht vor, weil es beim Fork am erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt.[9] Das Verhalten des Steuerpflichtigen ist eher als bloßes "Nichtstun" statt als (Gegen-) Leistung zu werten. Eine Schenkung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG scheidet ebenfalls aus, denn die Bereicherung des Steuerpflichtigen findet nicht zu Lasten eines Dritten statt, mit der Folge, dass kein Vermögensübergang eines Dritten auf den Steuerpflichtigen vorliegt.

Andere Meinungen in der Literatur[10] nehmen – in Anlehnung an die Anwendung der Verwaltungsregelungen zu Aktiensplitts – einen Anschaffungsvorgang der zusätzlich erhaltenen Kryptowährung an, indem sie unterstellen, dass sich der Wert der ursprünglich erworbenen Kryptowährung durch den Fork reduziert (aufspaltet). Dies ist jedoch i. d. R. nicht der Fall und war auch beim Fork von Bitcoin Cash (BCH) nicht so. Der Kurs des Bitcoin ist nach dem Fork kaum gesunken. Im Gegenteil: Schon 3 Wochen nach dem Fork konnten Bitcoin-Altbesitzer einen erheblichen Wertzuwachs verzeichnen.

Eine andere – sehr einfache – Lösung könnte darin bestehen, im Zeitpunkt der Hard Fork die gesamten Anschaffungskosten der alten Coins aufzuaddieren und dann nach dem Verhältnis der Anzahl der alten und neuen Coins zueinander und damit im Ergebnis zur Hälfte auf die neuen Coins zu übertragen. Konsequenterweise müssten dann sowohl die neuen als auch die alten Coins zum Zeitpunkt des Hard Forks als neu angeschafft gelten. U. E. wird diese Lösung, die für alle (alten und neuen) Coins einen Neubeginn der Frist nach § 23 EStG auslöst, den wirtschaftlichen Gegebenheiten und dem Sinn und Zweck des § 23 EStG nicht gerecht. Dieser besteht darin, für bestimmte Wirtschaftsgüter innerhalb bestimmter Fristen realisierte Werterhöhungen der Einkommensteuer zu unterwerfen.[11] Durch diese Lösung würde die Frist ohne Zutun des Coininhabers verlängert.

Das BMF-Schreiben vom 10.5.2022[12] schreibt vor, die Anschaffungskosten der alten Coins auf die alten und neuen Coins entsprechend dem Verhältnis der Kurse zum Zeitpunkt des Hard Forks nach dem Verfahren der Gesamtwertmethode[13] aufzuteilen.[14] Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Steuerrechts, wird aber u. E. – wie bereits oben beschrieben – nicht den Besonderheiten eines Hard Forks gerecht, da keine Werte ab- oder aufgespalten werden, sondern neben dem bisherigen Wert ein neuer Wert entsteht. Das BMF gelangt – wenn auch auf anderem Wege – zum gleichen Ergebnis wie die hier vertretene Auffassung. Da der Marktwert der neuen Coins i. d. R. Null betragen wird, dürften auch nach der Auffassung des BMF 100 % der Anschaffungskosten auf die alten Coins entfallen. Der Anschaffungszeitpunkt ...

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