Um zusätzliche Erträge zu generieren, setzen einige Inhaber ihre Coins bzw. Token ein, um zusätzliche Einnahmen z. B. durch sog. Lending oder Staking zu generieren.

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG sieht vor, dass "bei Wirtschaftsgütern im Sinne von Satz 1, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, […] sich der Zeitraum auf 10 Jahre" erhöht. Im Hinblick auf die Coins bzw. Token, die in das Lending, Staking, Minting, Yield Farming oder als Masternode gegeben werden, war bis zum Erlass des BMF-Schreibens vom 10.5.2022[1] umstritten, ob sich für diese Coins bzw. Token die 1-jährige Spekulationsfrist auf 10 Jahre verlängert. Gewinne aus der Veräußerung derartiger Coins bzw. Token wären dann erst nach 10 Jahren steuerfrei.

a) Auffassung der Finanzverwaltung

Im Entwurf des BMF-Schreibens vom 17.6.2021[2] vertrat das BMF die Auffassung, dass sich die Spekulationsfrist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG auf 10 Jahre verlängert, wenn Coins als Einkunftsquelle genutzt werden und zumindest – bezogen auf einen Zeitraum von 10 Jahren – in einem Kalenderjahr hieraus Einkünfte erzielt worden sind. Das BMF unterstellte demzufolge einen "Überwachungszeitraum" von insgesamt 10 Jahren. Wird ein Coin irgendwann innerhalb von 10 Jahren seit der Anschaffung als Einkunftsquelle genutzt, so sei eine Veräußerung des Coins innerhalb von 10 Jahren steuerpflichtig gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG. Die Frage, ob eine Verlängerung der Spekulationsfrist auch dann erfolgt, wenn für die in Rede stehenden Coins vor der Verwendung als Einkunftsquelle die Jahresfrist bereits abgelaufen war, die Coins also schon steuerlich "entstrickt" waren, beantwortete das BMF in diesen Entwurfsschreiben jedoch nicht.

Das BMF hat sich mit BMF-Schreiben vom 10.5.2022[3] hinsichtlich virtueller Währungen dann aber eindeutig dahingehend festgelegt, dass eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG nicht zur Anwendung kommt.

b) Auffassung der Literatur

Teile der Literatur[4] stimmen der Auffassung, welche im Entwurf des BMF-Schreibens vom 17.6.2021 vertreten wurde, zu. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG sei einschlägig, wenn aus der Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr – auch erst nach Ablauf der Jahresfrist[5] – Einkünfte erzielt werden. Diese Auffassung stellt demzufolge auf einen Gesamtbetrachtungszeitraum von 10 Jahren ab.

Andere Stimmen in der Literatur[6] lehnen eine Verlängerung der Frist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG u. E. richtigerweise ab. Sinn und Zweck der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG war nach dem historischen Willen des Gesetzgebers, Steuersparmodelle zur Vermeidung der Veräußerungsgewinnbesteuerung bei Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter zu verhindern.[7] Der Gesetzgeber beabsichtigte, mit der Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG solche Konstellationen zu besteuern, bei denen ein Vorgang grds. nach § 23 EStG steuerbar wäre, jedoch durch ein aufwendiges Konstrukt in Form einer Vielzahl von Verträgen der Besteuerung nach § 23 EStG durch Unterlaufen der Jahresfrist entzogen würde. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG ist daher einschränkend dergestalt auszulegen, dass nur jene Wirtschaftsgüter zum Begriff der Einkunftsquelle zählen, welche eine eigenständige Erwerbsgrundlage bilden. Dies setzt i. d. R. voraus, dass das Wirtschaftsgut mit dem alleinigen Zweck erworben wurde, um über eine bloße Wertsteigerung hinaus zusätzlich Erträge zu generieren, welche eine Existenzgrundlage bilden können und eindeutig über eine bloße Vermögensverwaltung hinausgehen. Ungeachtet dessen spricht auch die von Seiten des BFH in Bezug auf Fremdwährungskonten entwickelte Rechtsprechung gegen die Verlängerung der Haltefrist auf 10 Jahre. Mit Urteil vom 2.5.2000 hat der BFH[8] eine gedankliche Trennung eines Fremdwährungskontos vorgenommen, wenn ein Steuerpflichtiger ein Fremdwährungskonto unterhält und dieses als Festgeld zinswirksam angelegt hat. Nach der von Seiten des BFH vertretenen Auffassung ist zwischen dem eigentlichen Fremdwährungsguthaben – als eigenständiges Wirtschaftsgut – und der Darlehensforderung zu trennen, die entsteht, wenn der Steuerpflichtige das Fremdwährungsguthaben als Festgeld anlegt – diese Darlehensforderung ist ebenfalls ein eigenständiges Wirtschaftsgut.[9] Die erzielten Zinsen sind gerade nicht Ausfluss des Wirtschaftsguts "Fremdwährungskonto", sondern resultieren aus der Darlehensforderung. U. E. ist die vom BFH vorgenommene Unterscheidung analog bei der verzinslichen Hingabe von Kryptocoins anzuwenden; bei der verzinslichen Hingabe von Coins einer Kryptowährung sind etwaige Zinsen (rewards) der daraus resultierenden Darlehensforderung und nicht dem Kryptoguthaben selbst zuzuordnen.[10]

 
Hinweis

Verlängerung der Spekulationsfrist beachten!

Diese – bis zum BMF-Schreiben vom 10.5.2022[11] im Raum stehende – mögliche Verlängerung der Spekulationsfrist wurde in der Praxis zuw...

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