[Ohne Titel]

StB Dipl.-Finw. (FH) Benno L’habitant, LL.M. (Maastricht)[*]

Mit Schreiben vom 15.6.2020 hat die Finanzverwaltung den UStAE an mehreren Stellen im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze für die Seeschifffahrt gem. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG angepasst (BMF, Schr. v. 15.6.2020, BStBl. I 2020, 580). Auch wenn es im BMF-Schreiben nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, haben die Änderungen erhebliche Folgeauswirkungen wie die Tatbestandsmerkmale der Norm (fortan) aus Sicht der Finanzverwaltung auszulegen sind. Wohl aufgrund der Kritik aus der Branche hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben v. 18.12.2020 die ursprüngliche Nichtbeanstandungsregelung zur Anwendung des insoweit geänderten UStAE bis zum 31.3.2021 (BMF, Schr. v. 18.12.2020, BStBl. I 2021, 64) verlängert und mit BMF-Schreiben v. 26.3.2021 den UStAE abermals geändert (BMF, Schr. v. 26.3.2021 – III C 3 - S 7155/19/10004:001). Die Änderungen des UStAE selbst dürften wohl darauf abzielen, ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden. Ein Vergleich des nationalen Gesetzeswortlauts in § 8 Abs. 1 UStG mit der europäischen Rechtsgrundlage in Art. 148 der MwStSystRL lässt nämlich erkennen, dass die nationale Norm deutlich weiter gefasst ist. Die Vorgehensweise, die Anwendung einer zu weit gefassten Norm durch einen Anwendungserlass einzuschränken, überrascht jedoch und ist im Hinblick auf die Grundsätze der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kritisch zu sehen. Wünschenswerter wäre gewesen, wenn der Gesetzgeber im Rahmen des Jahressteuergesetz 2020 tätig geworden wäre. Betroffen von den Änderungen sind jedoch nicht nur die Betreiber von Seeschiffen, sondern vor allem auch Lieferanten und Dienstleister von Seeschiffbetreibern. Im Folgenden werden die Änderungen kritisch beleuchtet.

[*] StB, Dipl.-Finanzwirt (FH) Benno L’habitant, LL.M. (Maastricht) ist Senior Manager im Bereich des Mehrwertsteuerrechts bei der KPMG am Standort Hamburg und Doktorrand an der Universität Maastricht.

1. Einleitung

Wie einleitend ausgeführt, wurde der UStAE mit BMF-Schr. v. 15.6.2020 und BMF-Schr. v. 26.3.2021 im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze für die Seeschifffahrt gem. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG geändert.[1] Die wesentlichste Änderung ist sicherlich die Einschränkung des territorialen Anwendungsbereichs der Norm. Betreiber von in den Küstenmeeren eingesetzten Seeschiffen können zukünftig nicht mehr von der Steuerbefreiung profitieren. Darüber hinaus unterstreicht die Finanzverwaltung, dass es auf den tatsächlichen Einsatz des Seeschiffs und nicht allein auf dessen objektive Eignung ankommt. Zu guter Letzt ist der Einkauf von Gegenständen zur Versorgung von Seeschiffen ab 1.4.2021 nach dem BMF, Schr. v. 26.3.2021 nur noch umsatzsteuerfrei, wenn diese üblicherweise für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Besatzungsmitglieder oder die Fahrgäste an Bord bestimmt sind.[2] Sämtliche Änderungen werden mit erheblichen Dokumentationsaufwand verbunden sein und wohl zu zahlreichen Streitigkeiten zwischen den Vorlieferanten (der Begriff soll im Folgenden auch Vordienstleister umfassen) und den Betreibern von Seeschiffen führen.

2. Erforderlichkeit des Einsatzes von Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt auf Hoher See?

Nationale Norm: Nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG sind von der Umsatzsteuer bestimmte Umsätze für die Seeschifffahrt befreit. In § 8 Abs. 1 UStG sind hierzu insgesamt fünf unterschiedliche Befreiungstatbestände verankert. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind zum Beispiel

  • Lieferungen,
  • Umbauten,
  • Instandsetzungen,
  • Wartungen,
  • Vercharterungen und Vermietungen

von Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, die dem Erwerb durch die Seeschifffahrt oder der Rettung Schiffbrüchiger zu dienen bestimmt sind, umsatzsteuerbefreit. Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift ist es, dem Leistungsempfänger das Vorsteuerabzugsverfahren zu ersparen.[3] Systematisch wirkt die Norm nämlich insofern, dass der Vorlieferant gegenüber dem Betreiber eines Seeschiffs ohne Umsatzsteuerausweis abrechnen kann (irrelevant ist, wie der Ausgangsumsatz des Betreibers vom Seeschiff umsatzsteuerlich zu behandeln ist). Gerade ausländischen Betreibern von Seeschiffen wird dadurch das Vorsteuervergütungsverfahren erspart, was dazu führt, dass diese bei einer Bevorratung im Inland nicht schlechter gestellt werden als bei einer Bevorratung in einem anderen europäischen Hafen.[4]

Für inländische Betreiber von Seeschiffen ist die inländische Befreiungsnorm dagegen vorrangig mit Verwaltungsaufwand verbunden. Zwar haben inländische Seeschifffahrtbetreiber einen Cash-Flow Vorteil, wenn diese bei inländischen Vorlieferanten steuerfrei einkaufen können. Allerdings müssen die Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen belegt werden, was in der Praxis regelmäßig zu Diskussionsbedarf mit dem Vorlieferanten führen kann und mit Dokumentationsaufwand verbunden ist.[5]

MwStSystRL: Der nationale Gesetzgeber hat die Befreiungsvorschrift für ...

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