Leitsatz

Der Abzug von Aufwendungen für die krankheitsbedingte Heimunterbringung eines Angehörigen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG ist nicht davon abhängig, dass eine Pflegestufe nach dem Sozialgesetzbuch festgestellt oder ein Behindertenausweis mit dem Merkzeichen BL oder H vorgelegt wird.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige machte Heimunterbringungskosten für ihre in einem Alten- und Pflegeheim lebende Mutter in der Größenordnung von etwa 10.000 EUR jährlich als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend. Die Kosten ermittelte sie dadurch, dass sie die jährlichen Heimkosten zuzüglich der sonstigen Kosten (Versicherungen, Zeitungen, Telefon), Taschengeld, Weihnachtszuwendungen an das Heimpersonal sowie Fahrtkosten für zwei bis drei Besuchsfahrten monatlich zusammenrechnete. Von diesem Gesamtbetrag wurde die Rente der Mutter in Abzug gebracht.

Das Finanzamt versagte den geltend gemachten Kostenabzug mit dem Hinweis, die unterstützte Person sei nicht in der Pflegeabteilung des Heims untergebracht gewesen, so dass ein Kostenabzug nur im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG in Betracht komme (hiernach ergab sich im Streitfall jedoch aufgrund der Höhe der eigenen Einkünfte der Mutter kein Abzug). Das Finanzamt berief sich zur Begründung auf das BMF, Schreiben v. 2.12.2002, BStBl. 2002 II S. 270, wonach der Nachweis einer krankheits- oder behinderungsbedingten Heimunterbringung nur als erbracht anzusehen ist, wenn eine Pflegestufe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch festgestellt worden ist oder die Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 EStDV vorliegen.

 

Entscheidung

Das Gericht entschied, dass zumindest ein Teil der geltend gemachten Kosten die Abzugsvoraussetzungen des § 33 EStG erfüllen. Eine Heimunterbringung erfüllt ausnahmsweise den Tatbestand des § 33 EStG, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist. Im Streitfall war die Übersiedlung der unterstützten Person in das Altenheim nach Überzeugung des Gerichts unmittelbar durch ihre Erkrankung an Myastenia gravis bedingt und nicht lediglich wegen ihres Alters und der damit verbundenen Erschwernisse bei der Führung eines eigenen Haushaltes. Dem stand auch nicht entgegen, dass die Unterbringung nicht auf der Pflegestation erfolgte, denn in jedem Fall war nur im Heim ihre übrige Versorgung, die sie wegen der Folgen ihrer Krankheit nicht mehr allein vornehmen konnte, sichergestellt. Die Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten i.S.v. § 33 EStG ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht von einer bestimmten Qualität abhängig und ist auch nicht daran gekoppelt, dass die Voraussetzungen für eine Pflegestufe nach dem Sozialgesetzbuch oder für einen bestimmten Grad der Schwerbehinderung gegeben sind. Allerdings sind nach § 33 EStG nur die vom Heim in Rechnung gestellten Unterbringungskosten einschließlich eventueller Kosten für ärztliche Betreuung und Pflege abziehbar, nicht jedoch die übrigen geltend gemachten Kosten, die entweder typische Unterhaltsaufwendungen darstellen (Versicherung, Zeitungen, Taschengeld) oder nicht zwangsläufig entstanden sind (Zuwendungen an Pflegepersonal, therapeutisch nicht erforderliche Besuchsfahrten).

 

Hinweis

Die Entscheidung steht im Gegensatz zur Verwaltungsauffassung, die den Abzug der Kosten nach § 33 EStG davon abhängig macht, dass ein bestimmter, "formal nachweisbarer" Erkrankungsgrad erreicht ist. Nach den vorstehenden Entscheidungsgründen ist dagegen in jedem Einzelfall individuell zu prüfen, ob die Heimunterbringung einen krankheitsbedingten Hintergrund hat.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 29.09.2004, 9 K 3169/03

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