Nach unserem Dafürhalten ist ein solcher Ausnahmetatbestand vorliegend – entgegen den Ausführungen des BGH – nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen der §§ 73 ff. StGB das Verhältnis von materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit durch Verjährung hinsichtlich Strafen und Vermögensabschöpfung parallel gestaltet. Das Institut der Verjährung ist ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip verwurzelt und dient dem Eintritt von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb nunmehr zwingende Gründe des Gemeinwohls vorliegen sollten, die eine echte Rückwirkung legitimieren könnten, um so der Einziehung Vorrang vor dem Eintritt von Rechtsfrieden einzuräumen. Das gilt insb. vor dem Hintergrund, dass nicht jeder der betroffenen Fälle das Rechtsempfinden der Allgemeinheit in der gleichen Weise stört, wie es bei den Cum-Ex-Transaktionen der Fall ist. Dies, zumal es sich bei den zwingenden Gründen des Gemeinwohls um einen eng auszulegenden – bisher noch nie angewandten – Ausnahmetatbestand handelt.

Insoweit spricht Vieles dafür, dass die Allgemeinwohlgründe vorliegend hinter der schutzwürdigen Rechtsposition des Bürgers zurücktreten müssen. Im Übrigen würde der Staat sich zumindest widersprüchlich verhalten, wenn er in einem ersten Schritt eine Regelung wie in Art. 97 § 34 EGAO trifft und somit einen gewissen Vertrauenstatbestand schafft – der u.U. auch bereits zu Dispositionen durch die Betroffenen geführt haben könnte –, um sodann wieder davon Abstand zu nehmen (Reichling/Lange/Borgel, PStR 2021, 31).

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