Wird neben einem anhängigen Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung ein Finanzgerichtsverfahren geführt, in dem der Steueranspruch herabgesetzt oder vollständig verneint wird, stellt sich die Frage nach der Bedeutung der finanzgerichtlichen Entscheidung für die Einziehungsentscheidung im Rahmen des Strafverfahrens (vgl. Bröckers in Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren (2019), Rz. 195).

Grundsätzlich sind Besteuerungsverfahren und Strafverfahren – auch wenn sie denselben Steueranspruch zum Gegenstand haben – unabhängig voneinander. Das ergibt sich aus § 393 Abs. 1 S. 1 AO. Danach richten sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften.

Die Feststellungen im Strafverfahren entfalten daher grundsätzlich keine Bindungswirkung im finanzgerichtlichen Verfahren.

Beraterhinweis Allerdings müssen im Verfahren vor dem Finanzgericht substantiierte Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben werden. Ansonsten könnte sich das Finanzgericht die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen aus dem Strafverfahren zu eigen machen, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt, dass diese zutreffend sind (vgl. BFH v. 13.7.1994 – I R 112/93, BStBl. II 1995, 198).

Auf der anderen Seite ist das Strafgericht nicht an die Feststellungen in einem ggf. bereits abgeschlossenen Finanzgerichtsverfahren gebunden, auch wenn dem FG – als Fachgericht für Steuersachen – regelmäßig eine höhere Fachkompetenz zustehen dürfte.

Beachten Sie: Die Unabhängigkeit beider Verfahrensarten führt in der Praxis allerdings nicht selten zu abstrusen Ergebnissen, etwa dergestalt, dass ein Steuerpflichtiger (rechtskräftig) wegen Steuerhinterziehung verurteilt wird und in einem später abgeschlossenen Finanzgerichtsverfahren festgestellt wird, dass der streitgegenständliche Steueranspruch nicht oder nicht in der der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde gelegten Höhe besteht.

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