Rz. 2

[Autor/Stand] Die Vorschrift des § 383 AO erfasst den geschäftsmäßigen und gem. § 46 Abs. 4 Satz 1 AO unzulässigen Erwerb von Steuererstattungs- und -vergütungsansprüchen und verfolgt den Zweck, bestimmten Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität, insb. den Missbräuchen bei der Koppelung von steuerlicher Beratung und Kreditgeschäften, vorzubeugen. Nach der mit § 107a RAO zugelassenen Tätigkeit von Lohnsteuerhilfevereinigungen wurden immer wieder unseriöse Vereine gebildet, die die Unkenntnis ihrer Mitglieder (namentlich von ausländischen Arbeitnehmern) über die tatsächliche Höhe ihrer voraussichtlichen Lohnsteuererstattung missbrauchten, indem sie entweder die Ansprüche der Mitglieder zu einem weit untersetzten Preis aufkauften oder die Vorfinanzierung gegen Abtretung der Erstattungsansprüche zu unlauteren Zinssätzen vornahmen[2]. Um dem Lohnsteuerkartenhandel und anderen Formen der Blankoabtretung von Steueransprüchen entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber mit § 46 Abs. 4 Satz 1 AO den geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungsansprüchen zur eigenen Verwendung untersagt. Über diese Fälle hinaus erfasst die Norm auch Steuerberater, die in Einzelfällen über Abtretungen ihre Honoraransprüche sichern. Eine einengende Gesetzesauslegung zugunsten der Berater hat der BFH[3] abgelehnt[4].

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Der Anwendungsbereich des § 383 AO hängt vom Inhalt der in Bezug genommenen und die Blankettvorschrift ausfüllenden Norm des § 46 Abs. 4 Satz 1 AO ab, der wie folgt lautet:

§ 46 AO Abtretung, Verpfändung, Pfändung

(4) Der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung ist nicht zulässig. ...

Aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme lediglich auf Abs. 4 des § 46 AO ist nur der geschäftsmäßige Erwerb von Ansprüchen und nicht etwa auch ein Verstoß gegen die Pflicht, die Abtretung von Steueransprüchen gem. § 46 Abs. 3 AO bei der FinB unter Verwendung des amtlichen Vordrucks anzuzeigen[6], vom Tatbestand erfasst.

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Ein entgegen § 46 Abs. 4 Satz 1 AO erfolgter geschäftsmäßiger Erwerb ist nichtig (vgl. § 46 Abs. 5 letzter Halbs. AO; § 134 BGB). Allein diese Rechtsfolge wurde allerdings nicht als ausreichend erachtet, um dem verbotenen geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen tatsächlich wirksam entgegenzutreten. Daher wurde dem § 46 AO mit § 383 AO ein generalpräventiv wirkender Unrechtstatbestand mit einer im Vergleich zu den anderen Steuerordnungswidrigkeiten auffallend hohen Bußgeldandrohung zur Seite gestellt, um den Schutz der gefährdeten Personen vor Missbräuchen und unseriöser Kreditvermittlung im Zusammenhang mit der steuerlichen Beratung zu verstärken[8].

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Ob allerdings der mit den Vorschriften des § 46 Abs. 4 Satz 1 AO und § 383 AO verfolgte rechtspolitische Zweck erreicht wird, mag angesichts der Umgehungsmöglichkeiten, die die Ausnahmebestimmung des § 46 Abs. 4 Satz 2 und 3 AO (s. dazu nachst. Rz. 28 und 30) eröffnet, zweifelhaft sein. Insbesondere können Lohnsteuerhilfevereine sanktionslos im Namen von Kreditinstituten, die vom Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs von zur Sicherung abgetretenen Erstattungs- und Vergütungsansprüchen ausgenommen sind (§ 46 Abs. 4 Satz 3 AO), als Kreditmakler Darlehensverträge abschließen[10]. Soweit die Vereine damit lediglich bei der Vorfinanzierung von Erstattungsansprüchen mitwirken, soll darin keine mit der Hilfeleistung in Steuersachen nicht zu vereinbarende Tätigkeit liegen[11], auch wenn gem. § 26 Abs. 2 StBerG eine "andere wirtschaftliche Tätigkeit" des Lohnsteuerhilfevereins verboten ist und Verstöße hiergegen mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 EUR geahndet werden können (vgl. § 163 Abs. 2 StBerG; s. dazu § 377 Rz. 234 ff. m.w.N.).

 

Rz. 6

[Autor/Stand] Nicht von § 46 Abs. 4 AO und § 383 AO erfasst ist die bloße Zahlungsanweisung[13] des Anspruchsinhabers an die FinB, den Erstattungs- oder Vergütungsbetrag direkt an einen Dritten auszuzahlen, bzw. eine dem Berater erteilte Geldempfangsvollmacht[14]. Allerdings sind die Folgen zu beachten: Das FA hat bis zur Auszahlung den ersten Zugriff auf den Anspruch; bei nachfolgender Insolvenz des Anspruchsinhabers droht die Anfechtung gem. §§ 130, 131 InsO[15].

 

Rz. 7

[Autor/Stand] Die Anwendbarkeit des § 383 AO erstreckt sich auf die Erstattungs- und Vergütungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO), die sich gegen den Fiskus als Steuergläubiger richten. Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Ansprüche folgt, dass der Erwerb privatrechtlicher Ansprüche gegen den Steuergläubiger – wie z.B. Rückvergütungsansprüche aus vertraglicher Haftungsübernahme i.S.d. § 192 AO – zulässig und somit nicht bußgeldbewehrt ist[17].

 

Rz. 8

[Autor/Stand] Entsprechend anwendbar ist § 383 AO aufgrund gesetzlicher Verweisung auf die Wohnungsbauprämie (§ 8 Abs. 2 Satz 1 WoPG), die Arbeitnehmer-Sparzulage (§ 14 Abs. 3 Satz 1 des 5. VermBG), Vergütungsansprüche im Zusammenhang mit geringf...

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