Rz. 119

[Autor/Stand] Eine weitere Frage ist, welche Maßnahmen der Steuerberater ergreifen muss, um auf ein steuerehrliches Verhalten seines Auftraggebers hinzuwirken. Der steuerliche Berater ist nicht allein aufgrund seiner Rechtsstellung Garant gegenüber dem nach § 378 AO geschützten Steueranspruch des Staates (s. Rz. 109). Entdeckt bspw. der steuerliche Berater Mängel in der Buchführung oder neigt sein Mandant allgemein zu Steuerverfehlungen (und das trifft wohl statistischen Erhebungen zufolge auf die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger zu), besteht für den steuerlichen Berater keine Verpflichtung, der FinB eine begangene Steuerverkürzung anzuzeigen[2] (s. Rz. 116). Der steuerliche Berater ist aufgrund des Vertrauens, das ihm der Mandant dadurch entgegenbringt, dass er ihm seine gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegt, auch dann noch zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn er feststellt, dass der Mandant eine strafbare Handlung begangen hat oder im Begriff ist zu begehen. Er ist nicht berechtigt, von sich aus die FinB zu informieren[3]. Dies hätte nicht nur eine Berufspflichtverletzung (§ 57 Abs. 1 StBerG) zur Folge, sondern u.U. auch strafrechtliche Konsequenzen (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB).

Zwar muss der steuerliche Berater seinen Auftraggeber nach Maßgabe des § 33 StBerG auf mögliche Folgen hinweisen, ihn zu steuerlicher Korrektheit anhalten und ihn zur Berichtigung der Steuererklärung nach § 153 AO raten oder ggf. die Abgabe einer Selbstanzeige empfehlen[4]. Diese Pflichten ergeben sich aber, weil das Vertragsverhältnis mit dem Mandanten dies gebietet, nicht weil § 378 AO den Steueranspruch schützt. Der steuerliche Berater hat keine allgemeine, umfassende Garantenpflicht gegenüber dem nach § 378 AO geschützten Rechtsgut[5]. Insbesondere wird durch die zivilrechtliche Erweiterung des Auftrages nicht zugleich eine Art Vertrag zugunsten Dritter, nämlich des Fiskus, geschlossen[6].

Eine allgemeine Sorgfaltspflicht des steuerlichen Beraters zur Belehrung des Mandanten besteht nicht[7]. Allerdings kann sich der steuerliche Berater im Einzelfall von der straf- und bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit durch Verletzung einer anderen Sorgfaltspflicht, namentlich der Überprüfung der Angaben des Mandanten, befreien, wenn er seinen Mandanten über seine Pflichten belehrt hat[8] (zur Sorgfaltspflicht der Überprüfung der Angaben des Mandanten s. Rz. 114 f.). Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Überprüfung, ob der Mandant der Belehrung folgt, besteht nicht. Mit einer bloßen Belehrung ist es jedoch nicht getan, wenn Anhaltspunkte vorliegen, nach denen sich dem Steuerberater die Unrichtigkeit der ihm gemachten Angaben aufdrängen musste (s. Rz. 113).

Das gilt selbstverständlich auch für den Fall, dass der Berater konkrete Kenntnis vom steuerlichen Fehlverhalten seines Mandanten hat. Jede weitere (insb. nach außen hin sichtbare) Mitwirkung an der Erstellung der Rechenwerke und der Steuererklärungen, auch bezogen auf zukünftige Veranlagungszeiträume, birgt dann das Risiko der Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder der Begünstigung (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO, § 257 StGB) des Mandanten in sich. Um sich von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit freizuzeichnen, wird dem Berater auch nicht ein entsprechendes "Negativtestat" auf Bilanz- oder Steuererklärung helfen[9] (s. Rz. 117). Als ultima ratio bleibt dann nur noch die Niederlegung oder zumindest Einschränkung des Mandats, wenn sie beim Berater dokumentiert wird (z.B. durch den Vermerk, der Auftrag habe sich nicht auf die Ermittlung der Kapitaleinkünfte und deren Ausweis in der Steuererklärung erstreckt[10]).

Andererseits kann es dem Steuerberater auch nicht stets zum Vorwurf gemacht werden, wenn er seine Beratung fortsetzt, obwohl er weiß, dass sein Mandant früher Steuerverfehlungen begangen hat und im Begriff ist, eine solche erneut zu begehen.

 

Beispiel 100

A hatte als Leiter einer Buch- und Steuerberatungsstelle seit 1924 für den Landwirt F die Bücher geführt. F gab dies gegenüber der FinB nicht an, sondern ließ sich als angeblich nicht buchführender Landwirt nach Pauschalsätzen zur Umsatzsteuer veranlagen, die erheblich geringer waren als sein tatsächlicher Umsatz. Seit Ende 1929 wusste A davon, setzte die Beratung aber fort.

Das RG meinte, A sei nicht verpflichtet gewesen, die ihm bekannt gewordenen früheren Steuerverfehlungen der FinB mitzuteilen, und er mache sich durch die Fortsetzung der Steuerberatung trotz solcher Kenntnis nicht schon an sich mitschuldig an späteren Steuerhinterziehungen, "bei denen er nach keiner Richtung hin mitgewirkt hat". Das LG habe das Tätigwerden des A "nur dann als Mitwirkung bei Hinterziehung der Umsatzsteuer erachten dürfen, wenn es dargetan hätte, dass der Angeklagte durch diese Tätigkeit die Umsatzsteuerhinterziehung des F irgendwie unmittelbar oder mittelbar gefördert habe und sich dessen auch bewusst gewesen sei"; ebenso OLG Karlsruhe[11], wo der Steuerberater seine Mandantin zur Berichtigung eines in der Bilanz des Vorjahres u...

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