Rz. 73

[Autor/Stand] Zwischen Mitunternehmern gilt der Grundsatz, dass jeder Mitunternehmer sich innerhalb des ihm Möglichen und Zumutbaren zu vergewissern hat, ob der andere Mitunternehmer die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig ausführt[2]. Der Umstand, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen ("Hintermann") geführt worden sind, vermag (den "Strohmann") daher nicht zu entschuldigen[3]. Denn hinsichtlich der Überlassung von Aufgaben an Dritte besteht nach der Rspr. des BFH[4] die Pflicht des Geschäftsführers bzw. Firmeninhabers zur sorgfältigen Auswahl sowie laufenden Überwachung des Dritten bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben. Mit Beschluss vom 8.7.2014[5] hat der BGH zum Begriff des "Strohmanns" ausgeführt:

"Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335 [= wistra 2014, 191 = ZWH 2014, 241] mwN). Dem steht weder entgegen, dass er im Innenverhältnis die Weisungen des Auftraggebers zu befolgen hat (vgl. BFH, Urt. v. 26.6.2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 158. Lfg., § 3 Rn. 2441 [Strohmann]; zu den Leistungsbeziehungen zwischen Stroh- und Hintermann vgl. BFH, Urt. v. 12.5.2011 – V R 25/10, DStRE 2011, 1326), noch, dass er zuvor kein Eigentum an den Liefergegenständen erworben hat (vgl. BFH, Urt. v. 28.1.1999 – V R 4/98, BFHE 188, 456 [= UR 1999, 283 = DB 1999, 1365]). Umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich ist es auch, dass dem Strohmann der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit letztlich nicht verbleibt (BFH, Urt. v. 26.6.2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153). Für die umsatzsteuerrechtliche Einstufung des Strohmannes als Leistender reicht es vielmehr aus, wenn er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über den Liefergegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, vgl. hierzu zusammenfassend Leonard in Bunjes, UStG, 13. Aufl., § 3 Rn. 51 ff.)."

Damit können auch "Strohmänner" die Erklärungspflichten des UStG treffen. Eine andere Frage ist hingegen, ob ihnen leichtfertige Sorgfaltspflichtverletzungen im Einzelfall vorgeworfen werden können. Leichtfertigkeit (oder gar Vorsatz) liegt jedenfalls dann nahe, wenn überhaupt keine Erklärung abgegeben wird. Auch den Hintermann bzw. faktischen Geschäftsführer können sich aus § 35 AO ergebende steuerrechtliche Pflichten treffen, so dass er sich nicht entlastend darauf berufen kann, der "Strohmann" sei der formelle Geschäftsführer.

Sind die laufenden Geschäfte unter Geschäftsführern oder Mitunternehmern verteilt, können und dürfen sich die Geschäftsführer grds. auf die ordnungsmäßige Erledigung der Geschäfte durch den jeweils anderen verlassen. Voraussetzung ist die persönliche Vertrauenswürdigkeit des anderen Geschäftsführers, eine generelle Kenntnis von der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung und die Gewähr, dass die vorgenommenen Geschäfte die Grenze des laufenden Geschäftsverkehrs nicht übersteigen[6]. In diesem Umfang wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit der übrigen Geschäftsführer begrenzt, und zwar soweit und solange, wie für sie kein Anlass besteht anzunehmen, die steuerlichen Pflichten würden nicht exakt erfüllt. Die steuerlichen Pflichten treffen jedoch – unabhängig von der vereinbarten Aufgabenverteilung – jeden Geschäftsführer[7].

 

Beispiel 84

Der Betroffene betreibt seit 1972 zusammen mit seiner Ehefrau in Gütergemeinschaft außer einer Landwirtschaft auch eine Gastwirtschaft. In den Jahren 1979–1985 wurden die Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Getränken in der Gastwirtschaft von der Ehefrau des Betroffenen unvollständig, nämlich um insgesamt 468.853 DM zu niedrig aufgezeichnet. In ihren gemeinsamen Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1979–1985, welche der Angeklagte mitunterzeichnet hat, gaben der Betroffene und seine Ehefrau demzufolge die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Gewerbeerträge und die steuerpflichtigen Umsätze zu niedrig an. Einnahmen aus Hochzeitsessen für die Zeit von 1979–1985 wurden überhaupt nicht gebucht und dadurch Einkommensteuer und Umsatzsteuer verkürzt.

Der Betroffene räumte ein, sich um die Kassenführung der Gastwirtschaft nicht weiter gekümmert, diese seiner Ehefrau überlassen und die vom Steuerberater erstellten Steuererklärungen im Vertrauen auf deren sachliche Richtigkeit unterzeichnet zu haben.

Das AG verurteilte den Betroffenen wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zu einer Geldbuße von 10.000 DM. Das BayObLG verwies die Sache an das AG u.a. mit folgender Begründung zurück:

„Die Urteilsgründe erwecken den Eindruck, als habe das Amtsgericht es bereits als leichtfertig angesehen, daß der Betroffene und seine Ehefrau ihre Aufgabenbereiche im Rahmen der Führung ihrer verschiedenen Betriebe geteilt und der Betroffene seiner Ehefrau die Führung der Gaststätte bzw. jedenfalls die Buchführungstätigkeit für die...

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