a) Allgemeines

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Nach § 30 OWiG kann gegen juristische Personen (im Folgenden: JP) und Personenvereinigungen (im Folgenden: PV) eine Geldbuße verhängt werden, obwohl diese nicht selbst, sondern nur durch ihre Vertreter und Organe handeln können. Dies setzt voraus, dass

  • eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen wurde,
  • eine JP oder PV i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 1–5 OWiG vorliegt,
  • der Täter der Straftat oder Ordnungswidrigkeit als Vertreter, Organ oder als sonstige Leitungsperson handelte,
  • durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, welche die JP oder die PV treffen, oder die JP oder die PV bereichert worden ist oder werden sollte.

§ 30 OWiG stellt damit keinen eigenständigen Ordnungswidrigkeitentatbestand dar, sondern überträgt das Delikt, das eine natürliche Person begangen hat, auf die JP oder die PV, um es auch bei dieser im Wege der Festsetzung einer Geldbuße sanktionieren zu können[2].

b) Zweck des § 30 OWiG

 

Rz. 110

[Autor/Stand] Der Zweck des § 30 OWiG besteht darin, eine Gleichbehandlung der JP mit der natürlichen Person zu ermöglichen. Ohne die Sanktionsmöglichkeit des § 30 OWiG könnte für das pflichtwidrige Handeln eines Organs nur dieses selbst, nicht aber die JP bzw. die PV belangt werden, der in der Regel der wirtschaftliche Vorteil der Tat (z.B. bei Steuerdelikten die illegale Steuerersparnis, die wiederum zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition des Unternehmens führen kann) zugeflossen ist. Die zu verhängende Geldbuße wäre nur den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Organwalters anzupassen, während der Gewinn, den die JP bzw. die PV aus der Tat gezogen hat, außer Ansatz bliebe. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der JP bzw. der PV gegenüber natürlichen Personen (z.B. Einzelunternehmern) führen, bei denen der erzielte Gewinn bei Bemessung der Geldbuße berücksichtigt wird[4]. Die Verbandsgeldbuße dient vor allem der Abschöpfung der durch die Straftat oder Ordnungswidrigkeit zugunsten der JP bzw. der PV gezogenen Gewinne, so dass sich letztlich für das Unternehmen die Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nicht rechnen soll. Sie verfolgt zudem den generalpräventiven Zweck, die Mitglieder der JP bzw. der PV bei der Auswahl und Überwachung ihrer Organe zur nötigen Sorgfalt anzuhalten. Auch die Verantwortlichen selbst sollen im Bewusstsein der nachteiligen Folgen, die ihr Handeln auch für die Gesellschaft haben kann, auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften achten[5].

c) Personenkreis

 

Rz. 111

[Autor/Stand] Juristische Personen sind alle sozialen Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Im Ergebnis fallen darunter: die AG, die KG auf Aktien, die GmbH, die Genossenschaft, der eingetragene Verein und die selbständige Stiftung[7]; ebenso Körperschaften, selbständige Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts[8].

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Als Personenvereinigungen sind der JP gleichgestellt: der nicht rechtsfähige Verein (§ 54 BGB) und die rechtsfähigen Personengesellschaften. Als solche sind insbesondere die OHG (§§ 105 ff. HGB), die KG (§§ 161 ff. HGB), die GmbH & Co. KG, die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) mit Sitz im Inland, die PartG (§ 7 Abs. 2 PartGG) sowie die teilrechtsfähige Außen-GbR (§§ 705 ff. BGB) anzusehen[10].

 

Rz. 113

[Autor/Stand] Die Vorgesellschaft stellt nach h.M. keine GbR bzw. eine OHG dar. Es handelt sich um Gesellschaften sui generis, die sich nach den Rechtsvorschriften richten, die das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag vorschreiben, soweit nicht gerade die Eintragung im Handelsregister vorausgesetzt wird (sog. Sonderrechtstheorie)[12]; § 30 OWiG findet auch auf sie Anwendung[13]. Bei der sog. faktischen Gesellschaft kommt es darauf an, wie sie sich am Geschäftsverkehr beteiligt. Tritt sie in einer der in der Norm genannten Verbandsformen entsprechenden Struktur auf, ist § 30 OWiG auch auf sie anwendbar[14].

Ein Wechsel in der Rechtsform, nachdem ein Organ einen Bußgeldtatbestand verletzt hat, schließt die Ahndung mit Geldbuße nicht aus[15].

d) Täter der Anknüpfungstat

 

Rz. 114

[Autor/Stand] Als Täter einer Anknüpfungstat, die Vorbedingung für die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine JP bzw. eine PV ist, kommen in Betracht:

  • bei einer JP das vertretungsberechtigte Organ oder ein Mitglied des Organs (Vorstand oder Vorstandsmitglieder, persönlich haftender Gesellschafter der KGaA, Geschäftsführer der GmbH und sein Stellvertreter), § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG[17];
  • bei einem nichtrechtsfähigen Verein der Vorstand oder ein Mitglied desselben, nicht aber die besonderen Vertreter (§ 86 BGB i.V.m. § 30 BGB), § 30 Abs. 1 Nr. 2 OWiG[18];
  • bei einer Personengesellschaft die vertretungsberechtigten Gesellschafter ( § 30 Abs. 1 Nr. 3 OWiG), d.h. bei der GbR, der OHG und der PartG grundsätzlich alle Gesellschafter, bei der KG nur der Komplementär, bei der GmbH & Co. KG der Geschäftsführer der GmbH[19];
  • bei einer JP bzw. einer PV der Generalbevollmächtigte sowie der Prokurist oder ein Handlungsbevoll...

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