Rz. 798

[Autor/Stand] Hat der Täter lediglich Selbstanzeige erstattet, aber seine Nachzahlungspflicht nicht erfüllt, so ist zu unterscheiden:

  • Versäumung der Nachentrichtungsfrist gem. § 371 Abs. 3 AO

    Sind die nachzuzahlende Steuer und die Hinterziehungszinsen festgesetzt worden und die gem. § 371 Abs. 3 AO gesetzte Nachentrichtungsfrist abgelaufen, hat der Täter oder an der Tat Beteiligte die ihm aufgrund der Selbstanzeige zustehende Anwartschaft auf Straffreiheit endgültig verloren und die ihm drohende Strafe verwirkt.

  • Schwebezustand zwischen Selbstanzeige und Fristablauf

    Ist nach Erstattung der Selbstanzeige

    • die nachzuzahlende Steuer und die Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO bisher nicht festgesetzt,
    • eine Nachzahlungsfrist nicht bestimmt oder
    • erweist sich in der Hauptverhandlung, dass die bestimmte und inzwischen abgelaufene Nachzahlungsfrist unangemessen kurz war und deshalb oder aus anderen Gründen keine Wirksamkeit erlangt hat,

    "bleibt die Frage der Straffreiheit in der Schwebe" und der Stpfl. "in der Lage, durch Nachzahlung der Steuern sich endgültig straffrei zu machen"[2]

 

Rz. 799

[Autor/Stand] Welche Konsequenzen sich hieraus ergeben, wenn das Gericht in der Hauptverhandlung feststellt, dass die Voraussetzungen des § 371 Abs. 3 AO in der erwähnten Weise bisher nicht erfüllt worden sind, verdeutlichen die folgenden Beispiele.

 

Beispiel 2

Die FinB hatte den Angeklagten H bisher für die von ihm hinterzogenen Personensteuern des Angeklagten B nicht haftbar gemacht und ihm keine Zahlungsfrist gesetzt.

Der BGH führt hierzu aus: "[...] die Frage, ob er durch seine Selbstanzeige auch insoweit Straffreiheit erlangt hat, als er zugunsten des Angeklagten B Steuern hinterzogen hat", ist "noch in der Schwebe (RGSt 63, 305). Das hat einerseits zur Folge, daß er vorerst nicht wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden kann, schließt aber auch aus, daß er endgültig freigesprochen wird. Der staatliche Strafanspruch besteht noch, ist aber auflösend bedingt durch die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern innerhalb einer zu setzenden Frist. Das Strafverfahren kann daher solange nicht zu Ende geführt werden, bis diese Frist gesetzt und abgelaufen ist; daher kann auch keine das Verfahren abschließende Entscheidung getroffen werden. Vielmehr muß das Gericht das Verfahren aussetzen, bis eine Frist gesetzt und verstrichen ist."

 

Beispiel 3

Das LG hatte den Angeklagten nach Ansicht des BayObLG zu Unrecht freigesprochen, weil dieser bisher seiner Nachzahlungsfrist nicht nachgekommen war.

Aus den Gründen: "Demnach durfte das Landgericht den Angeklagten, gegen den das Finanzamt wegen der hinterzogenen Steuern einen Haftungsbescheid erlassen hat, nicht freisprechen, da nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils auch die als Gesamtschuldnerin (§ 7 Abs. 1 StAnpG) haftende GmbH & Co. die verkürzten Steuern nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist nachentrichtet hat. Es ist vielmehr noch aufzuklären, welche Zahlungsfristen das Finanzamt dem Angeklagten selbst gesetzt hat; sollten diese noch nicht abgelaufen sein, so wäre die Frage, ob der Angeklagte durch die Selbstanzeige Straffreiheit erlangt hat, noch in der Schwebe [...]"

 

Beispiel 4

A war vom LG wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung u.a. zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das OLG Bremen hob das Urteil auf, da A Selbstanzeige erstattet habe und die ihm gesetzte Zahlungsfrist u.a. wegen Unangemessenheit unwirksam sei.

Aus den Gründen: "Nach alledem ist für die Durchführung eines ordentlichen Strafverfahrens gegen den Angeklagten zur Zeit kein Raum. Das angefochtene Urteil durfte gegen ihn nicht ergehen und war deshalb nebst den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Da der Schwebezustand, der durch den bedingten Einstellungsbescheid des Nebenklägers geschaffen worden ist, noch fortbesteht, war zugleich mit der nach § 354 Abs. 2 StPO gebotenen Zurückverweisung in entsprechender Anwendung der §§ 205, 282 StPO die vorläufige Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens anzuordnen."

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[2] RG v. 30.10.1929 – II 78/29, RGSt 63, 305 ff.; BGH v. 3.6.1954 – 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336 ff.; OLG Frankfurt v. 2.4.1952 – 2 Ss 105/52, BB 1952, 484; FG Nds. v. 27.8.1963 – V 30/62, DStZ/B 1963, 402; BayObLG v. 27.4.1972 – RReg 4 St 26/72, DStZ/B 1972, 287 (288).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021

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