Schrifttum:

Bergmann, Problemlösung Umsatzsteuerbetrug: Umsatzsteuer-Nachschau gem. § 27b UStG oder System-Wechsel zu Reverse-Charge?, Diss. Osnabrück 2008; Ceffinato, Vollendungsumkehr und Wiedergutmachung, 2017; Hüls, Grenzen des Wirtschaftsstrafrechts? – Die Ausdehnung strafrechtlicher Normen und die Schwierigkeiten ihrer Begrenzung, 2019; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014; Lagodny, Das Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996; Seer, Steueramnestie und die Idee der Entpönalisierung des Steuerrechts, in GS Trzaskalik, 2005, S. 457; Spengel/Eisgruber, Die nicht vorhandene Gesetzeslücke bei Cum/Ex-Geschäften, DStR 2015, 785.

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Nicht nur formal durch den Bestimmtheitsgrundsatz (s. Rz. 25 ff.), sondern auch materiell ist das Strafrecht verfassungsrechtlich gebunden. Nach allgemeiner Meinung darf der Gesetzgeber erst dann zum Mittel der Strafe greifen und ein Verhalten mit dieser Sanktion bedrohen, wenn andere gesetzliche Reaktionsmöglichkeiten zum Schutz eines Rechtsguts weniger erfolgversprechend sind[2]. Strafe wird als ultima ratio des Rechts begriffen, die nur dann zum Einsatz kommen darf, wenn andere rechtliche Reaktionsformen versagen[3]. Ein Verhalten muss sowohl strafwürdig als auch strafbedürftig sein. Das erklärt gleichzeitig den fragmentarischen Charakter des Strafrechts, das nur subsidiär und nicht "flächendeckend" Anwendung finden darf.

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Da Androhung und Verhängung von Strafe immer einen Eingriff in Grundrechtspositionen des Täters bedeuten, muss die Strafe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geeignet, erforderlich und angemessen zur Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Ziels sein (Übermaßverbot)[5].

„[35] Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet – bei Androhung von Freiheitsstrafe auch im Hinblick auf die Gewährung der Freiheit der Person durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG [...] –, dass eine Strafnorm dem Schutz anderer oder der Allgemeinheit dient [...]. Das Strafrecht wird als "ultima ratio" des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist. Wegen des in der Androhung, Verhängung und Vollziehung von Strafe zum Ausdruck kommenden sozialethischen Unwerturteils kommt dem Übermaßverbot als Maßstab für die Überprüfung einer Strafnorm besondere Bedeutung zu [...]. Es ist aber grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns verbindlich festzulegen. Er ist bei der Entscheidung, ob er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich erscheint, gerade mit dem Mittel des Strafrechts verteidigen und wie er dies gegebenenfalls tun will, grundsätzlich frei [...].

[36] Eine Strafnorm muss geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt [...]. Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele [...] steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu [...]

[37] Schließlich muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für die Adressaten des Verbots gewahrt sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn). Die Maßnahme darf sie nicht übermäßig belasten. Im Bereich staatlichen Strafens folgt aus dem Schuldprinzip und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Schwere einer Straftat und das Verschulden des Täters in einem gerechten Verhältnis stehen müssen. Eine Strafandrohung darf nach Art und Maß dem unter Strafe gestellten Verhalten nicht schlechthin unangemessen sein [...]”[6].

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Im Ergebnis wird von der Rspr. und auch der überwiegenden Lehre ein ganz weiter Ermessensspielraum des Gesetzgebers für die Beantwortung der Frage akzeptiert, in welchen Bereichen ein bestimmtes Problem mit den Mitteln des Strafrechts gelöst werden soll und in welchen nicht[8]. Das gilt entsprechend für die Höhe der Strafandrohung. Das wiederum erklärt, warum nach Art. 103 Abs. 2 GG gerade der Gesetzgeber über die Strafbarkeit zu entscheiden hat und der Rechtsanwender an diese Entscheidung gebunden ist (s. Rz. 25). Wäre inhaltlich sicher zu bestimmen, auf welches Verhalten zwingend mit Strafe zu reagieren wäre und auf welches nicht, wäre eine solche Bindung überflüssig.

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Aus einem materiell verstand...

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