Rz. 1418

[Autor/Stand] Bei der Strafzumessung im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen kann der Gesamtschaden, der in dem Überschuss von gezogener Vorsteuer im Vergleich zu gezahlter Umsatzsteuer besteht, bei den Personen, die sich bewusst in entsprechende Systeme einbinden lassen, strafschärfend berücksichtigt werden[2]. Bei der Bestimmung des Schuldumfangs von in der Kette nachfolgenden Gehilfen ist jedoch zu bedenken, dass der von dem Täter schon verursachte Steuerschaden sich in ihrem Verhalten nur fortsetzt und sich allenfalls vergrößert. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass das Steueraufkommen nicht in der Summe der beiden Hinterziehungshandlungen gefährdet ist, sondern lediglich im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrags[3]. Schon aus Vereinfachungsgründen hält es der BGH[4] für gerechtfertigt, das Verfahren auf die täterschaftliche Steuerhinterziehung zu beschränken und insoweit den steuerlichen Gesamtschaden lediglich als Gesichtspunkt in die Strafzumessung einzustellen, weil der Tatrichter sich damit nicht nur eine im Einzelfall schwierige Abschichtung des jeweils eigenständigen Schuldumfangs der miteinander verzahnten Taten erspare, sondern auch zusätzliche Feststellungen zu den Steuererklärungen der übrigen Beteiligten des Umsatzsteuerkarussells.

Diese pauschale und vereinfachte Betrachtung ist durchaus kritikwürdig und enthebt die Gerichte nicht von ihrer Verpflichtung zur sorgfältigen Subsumtion[5].

 

Rz. 1418.1

[Autor/Stand] Nicht automatisch entspricht die bandenmäßige Begehungsweise im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) in der Struktur des Zusammenschlusses dem einer kriminellen Vereinigung genügenden Organisationsgrad. Eine kriminelle Vereinigung i.S.d. § 129 StGB setzt die Unterordnung unter einen Gruppenwillen voraus, der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, genügt dazu noch nicht[7]. Die Anwendung des § 129 StGB auf organisierte Steuerstraftaten ist damit nicht ausgeschlossen. Im Hinblick auf den durch das 34. StrÄndG vom 22.8.2002[8] eingeführten § 129b StGB i.V.m. § 370 Abs. 6 und Abs. 7 AO kann dies nunmehr auch für bestimmte unselbständige deutsche Teilorganisationen einer ausländischen kriminellen Vereinigung gelten[9].

 

Rz. 1419

[Autor/Stand] Die bandenmäßige Umsatzsteuerverkürzung stellt nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StPO i.V.m. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO eine schwere Straftat nach § 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO dar. Damit ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO eine Telefonüberwachung zulässig. Daneben ist ebenso der Einsatz verdeckter Ermittler (§ 110a Abs. 1 Nr. 3, 4 StPO) zulässig. Zu den sich aus Art. 13 GG ergebenden Anforderungen an Durchsuchungsbeschlüsse wegen des Verdachts auf Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell vgl. den BVerfG-Beschluss vom 3.4.2007[11].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[2] BGH v. 11.7.2002 – 5 StR 516/01, UR 2002, 465 m. Anm. Widmann = NJW 2002, 3036 = wistra 2002, 284; BGH v. 11.12.2002 – 5 StR 212/02, wistra 2003, 140; s. dazu Harms/Jäger, NStZ 2003, 189 (193 f.); BGH v. 20.3.2002 – 5 StR 448/01, wistra 2002, 221 = NJW 2002, 1963 = NStZ 2002, 485.
[3] BGH v. 11.12.2002 – 5 StR 212/02, wistra 2003, 140 (141).
[4] BGH v. 16.3.2004 – 5 StR 364/03, BGHSt 49, 45 = StraFo 2004, 215 = wistra 2004, 229.
[5] So mit Recht Hellmann, wistra 2005, 161 (162), der sich dieser mühevollen Arbeit unterzieht.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[7] BGH v. 26.2.2003 – 5 StR 423/02, BGHSt 48, 240.
[8] BGBl. I 2002, 3390.
[9] BGH v. 16.3.2004 – 5 StR 364/03, BGHSt 49, 45 = wistra 2004, 229.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.10.2021
[11] BVerfG v. 3.4.2007 – 2 BvR 1797/05, WM 2007, 1046.

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