aa) Voraussetzungen der Berichtigungspflicht nach § 153 AO

 

Rz. 1715

[Autor/Stand] Gesehen werden muss, dass Mandanten, die sich zunächst nicht strafrechtlich relevant verhalten haben, weil sie z.B. nicht vorsätzlich Steuern hinterzogen haben, nachträglich in eine Strafbarkeit wegen Verletzung von § 153 AO "hineinwachsen" können (s. Rz. 334 sowie 1517.4)[2]. Nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO entsteht eine Korrekturpflicht, wenn (vereinfacht) folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. unrichtige oder unvollständige Steuererklärung des Stpfl.,
  2. daraus resultierende Steuerverkürzung,
  3. nachträgliches Erkennen (positive Kenntnis) von 1. und 2. und
  4. Nichtablauf der Festsetzungsfrist für die fehlerhafte Veranlagung.
[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.08.2023
[2] Zu diversen Fällen mit Praxisbeispielen s. Heuel, wistra 2015, 289 und 338; Völger, PStR 2012, 206.

bb) Rechtsfolge steuerrechtlich

 

Rz. 1716

[Autor/Stand] Rechtsfolge des § 153 AO ist das Vorliegen einer Anzeige- und einer Berichtigungspflicht. Der Stpfl. (oder sein Rechtsnachfolger) hat (steuerrechtlich) unverzüglich anzuzeigen (1. Stufe), dass eine unrichtige Erklärung abgegeben worden ist. Unverzüglich[2] bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) alsbald nach Erkennen des Mangels. Die zur Verfügung stehende Zeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, namentlich davon, ob die Korrektur des Fehlers komplizierte Berechnungen erfordert oder ob die einfache Mitteilung einer einzelnen Tatsache genügt[3]. Vor dem Hintergrund der schwierigen Bestimmung der Unverzüglichkeit im Einzelfall, der inzwischen deutlich verschärften Anforderungen an eine Selbstanzeige nach § 371 AO und der damit verbundenen Notwendigkeit, eine Berichtigungserklärung so abzufassen, dass diese auch den strengen Anforderungen an eine Selbstanzeige genügt, ist der Begriff der Unverzüglichkeit m.E. sehr großzügig auszulegen[4]. Das muss insbesondere für Auslandssachverhalte gelten. Teilweise wird vertreten, dass die Obergrenze eine Frist von zwei Wochen sei[5]. Andere[6] sind der Meinung, dass mindestens eine Frist von vier Wochen einzuräumen sei. Radermacher[7] gewährt in den sog. Bankenfällen mit Auslandsbezug – m.E. zutreffend – eine Reaktionsfrist von drei Monaten (analog zu § 30 ErbStG). Der Stpfl. muss ferner – ohne, dass das Gesetz dafür eine Frist bestimmt – eine Berichtigungserklärung abgeben (2. Stufe). Diese zweistufige Auslegung des § 153 AO entspricht der h.M., ist jedoch nicht unbestritten. In seinem Anwendungserlass vom 23.5.2016[8] führt das BMF zunächst aus, dass sowohl Anzeige als auch Berichtigung unverzüglich erfolgen müssen. Anschließend erläutert das BMF unklar, dass "ggf." eine weitere Frist für die Berichtigung gewährt werden könne. Es besteht daher weiterhin Rechtsunsicherheit.[9]

[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.08.2023
[2] Ausführlich hierzu Jehke/Dreher, DStR 2012, 2467 ff.
[3] Joecks in JJR8, § 370 Rz. 265.
[4] So auch Jehke/Dreher, DStR 2012, 2467 (2471); ebenso Ruhmannseder, StBW 2013, 943 (944).
[5] Jesse, BB 2010, 1431 (1439).
[6] Wulf, Stbg 2010, 295 (298); Stahl/Durst, KÖSDI 2009, 16604, sind zu Recht der Auffassung, dass dieser Zeitraum zu verdoppeln sei, wenn Unterlagen aus dem Ausland beschafft werden müssen, und nochmals zu verlängern sei, falls der Erbe steuerliche Beratung in Anspruch nimmt.
[7] Radermacher, StBW 2014, 956 (958).
[8] BMF v. 23.5.2016 – IV A 3-S 0324/15/10001 Tz. 5.1.
[9] Kritisch hierzu Beyer, NZWiSt 2016, 234.

cc) Strafrechtliche Konsequenzen

 

Rz. 1717

[Autor/Stand] Wenn der Stpfl. (oder sein Rechtsnachfolger) seiner Verpflichtung nach § 153 AO nicht nachkommt, so begeht er – einen entsprechenden Vorsatz unterstellt[2] – nach ganz h.M.[3] (Ransiek oben Rz. 350) eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO[4]. Teilweise[5] wird eine Strafbarkeit dagegen verneint. Die Vertreter der Mindermeinung[6] begründen ihre Ansicht damit, dass die unterlassene Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO nicht kausal für die Steuerhinterziehung sei. Die Steuer sei bereits (durch den Erblasser) verkürzt, die Verletzung der Berichtigungspflicht stabilisiere diesen Zustand lediglich[7]. Der BFH[8] hat diese Frage bislang offengelassen. Das Vorliegen einer Unterlassungstat nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 153 Abs. 1 AO unterstellt, würde – wie oben ausgeführt – mit dem Zeitpunkt, in dem bei hypothetisch pflichtgemäßem Handeln die korrigierten bzw. geänderten Einkommensteuerbescheide ergangen wären, der Lauf der strafrechtlichen Verjährungsfrist beginnen[9]. Wird ein Zeitraum von drei Monaten für die Erstattung der Anzeige (1. Stufe) und ein weiterer Zeitraum von zwei Monaten zur Berichtigung der Angaben (2. Stufe) angenommen und eine anschließende Bearbeitungszeit im FA von einem Monat unterstellt, dürfte zutreffenderweise ca. sechs Monate nach Kenntniserlangung die Verfolgungsverjährung zu laufen beginnen.

[Autor/Stand] Autor: Heuel, Stand: 01.08.2023
[2] Wulf, PStR 2014, 255 weist zu Recht darauf hin, dass der Erbe in Bezug auf § 153 AO u.U. nicht vorsätzlich handelt, wenn er als Laie davon ausgeht, dass die weit zurückliegenden Steu...

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