Rz. 448

[Autor/Stand] Von der Rspr. wird im Anschluss an die Auffassung des EuGH[2] die Einhaltung der für Ausfuhrlieferungen i.S.v. § 6 UStG und für innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG vorgesehenen Nachweispflichten nach §§ 8 ff. UStDV bzw. § 17a UStDV nicht mehr als materiell-rechtliche Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung angesehen (zur Entwicklung s. Rz. 1406 ff.)[3]. Der Nachweis des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder einer Ausfuhrlieferung kann vielmehr auch auf andere Weise erfolgen, wenn nur objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind[4].

„Aufgrund des fehlenden materiell-rechtlichen Charakters der Nachweispflichten sind indes sowohl innergemeinschaftliche Lieferungen (vgl. insoweit BFH v. 8.11.2007 – V R 72/05, BFHE 219, 422 und BFH v. 6.12.2007 – V R 59/03, BFHE 219, 469, siehe auch BGH v. 20.11.2008 – 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45) als auch Ausfuhrlieferungen im Sinne von § 6 UStG (vgl. insoweit BFH v. 28.5.2009 – V R 23/08, DStR 2009, 1636) trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten grundsätzlich steuerfrei, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen von Ausfuhrlieferungen vorliegen. Danach kann eine Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer nicht allein darauf gestützt werden, dass der Unternehmer den ihm obliegenden Nachweispflichten nach §§ 8 ff. UStDV bzw. §§ 17a ff. UStDV nicht entsprochen hat (vgl. hinsichtlich §§ 17a ff. UStDV bereits BGHSt 53, 45).

Soweit in der bisherigen Rechtsprechung im Anschluss an die damalige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH v. 28.2.1980 – V R 118/76, BFHE 130, 118; BFH v. 27.4.1995 – V R 2/94, BFH/NV 1996, 184; BFH v. 14.12.1994 – XI R 70/93, BStBl. II 1995, 515; BFH v. 30.6.2000 – V B 17/00, BFH/NV 2001, 212) bei Ausfuhrlieferungen im Sinne von § 6 UStG auch in steuerstrafrechtlicher Hinsicht von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde (BGH v. 8.2.1982 – 1 StR 765/82, BGHSt 31, 248, BGH v. 4.1.1989 – 3 StR 415/88, wistra 1989, 190), hält der Senat in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des BFH daran nicht mehr fest.”[5]

 

Rz. 448.1

[Autor/Stand] Der BGH lehnt bei vorsätzlicher Verschleierung des wahren Empfängers, die eine Steuerhinterziehung im Bestimmungsland ermöglichen soll oder die den "zweifelsfrei objektiven Nachweis" verhindert, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt werden, eine Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung wegen Missbrauchs ab und kommt so zur Bejahung des Verkürzungserfolgs[7]. Umstritten war, ob diese Auffassung europarechtskonform ist[8]; der EuGH[9] hat die Rechtsauffassung des 1. Strafsenats jedoch bestätigt (s. auch Rz. 1406 ff.)[10]. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG wurde vom BVerfG[11] verneint (s. Rz. 25.3). Tritt ein Unternehmen nur zum Schein als Besteller oder Abnehmer auf, um eine ordnungsgemäße innergemeinschaftliche Lieferung vorzutäuschen und um die Identität des wahren Abnehmers zu verschleiern, erfolgt keine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG; nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG kann die Lieferung bei Gutgläubigkeit gleichwohl als steuerfrei anzusehen sein[12]. Die Frage, ob die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 27a UStG) Voraussetzung der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, hatte der BFH dem EuGH vorgelegt[13]. Nach Meinung des EuGH handelt es sich um ein formelles Erfordernis, das den Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung nicht infrage stellen kann, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind[14].

 

Rz. 448.2

[Autor/Stand] Derjenige, der weiß oder wissen muss, dass die von ihm ausgeführte Lieferung Teil eines auf Hinterziehung von Umsatzsteuer angelegten Systems ist, hat keinen Anspruch auf Vorsteuererstattung[16]. Macht er die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer nach § 15 UStG geltend, erlangt er eine ungerechtfertigte Steuervergütung nach § 370 Abs. 1 AO (s. Rz. 446, 437)[17]. Bei juristischen Personen ist nicht nur das Wissen der Organpersonen, sondern auch das sonstiger Mitarbeiter relevant[18]. Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG kann sich derjenige nicht auf die Steuerfreiheit einer tatsächlich steuerpflichtigen Lieferung berufen, der bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers hatte erkennen können. Das setzt voraus, dass der Lieferer alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt[19]. Bei der Würdigung kann die Ungewöhnlichkeit eines Geschäfts berücksichtigt werden, wenn bspw. hochwertige Wirtschaftsgüter bar verkauft werden, ohne dass die Vertretungsmacht eines "Beauftragten" überprüft wird[20]. Bloße Zweifel der FinB reichen nicht aus, dem Stpfl. den Vorsteuerabzug oder die Steuerfreiheit zu verwehren[21]. Eine Einfuhrumsatzsteuerbefreiung kann einem Importeur, der Gegenstände a...

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