Rz. 480

[Autor/Stand] Insbesondere die Nichtabgabe von Steuererklärungen oder Steuervoranmeldungen zieht Schätzungen nach § 162 AO nach sich. In der Betriebsprüfung kommt es zu Schätzungen, wenn der Stpfl. Aufzeichnungen nur unzureichend führt oder die Buchführung der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden kann. Ist eine formell ordnungsgemäße Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig, kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden; die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt die FinB.[2] Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln[3]. Ziel ist es, die Besteuerungsgrundlagen in der Höhe anzusetzen, die der Wirklichkeit am nächsten kommt[4]. Die Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein[5]. Voraussetzung einer Schätzung ist nach § 162 Abs. 1 AO, dass die FinB die Besteuerungsgrundlagen nicht auf andere Weise ermitteln und berechnen kann.

Für eine Schätzung muss zumindest sicher sein, dass überhaupt ein steuerlich relevanter Sachverhalt verwirklicht wurde, bspw. ein Beruf ausgeübt wurde[6] (s. aber jetzt § 162 Abs. 2 Satz 3 AO). Zu schätzen ist nach § 162 Abs. 2–4 AO insb., wenn der Stpfl. seinen Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Unklarheiten gehen dann zu Lasten des Stpfl., so dass sich die Unmöglichkeit, den Sachverhalt voll aufzuklären, zuungunsten des Stpfl. auswirken kann[7]. Strafschätzungen sind aber auch bei § 162 Abs. 2 Satz 3 AO unzulässig, so dass es zumindest Anhaltspunkte geben muss, dass Einkünfte in Staaten i.S.d. § 90 Abs. 2 Satz 3 AO erzielt wurden[8]. Bei einer Pflichtverletzung des Stpfl. wird jedoch ein Sicherheitszuschlag für zulässig gehalten[9].

 

Rz. 481

[Autor/Stand] Bei den Schätzungsarten unterscheidet man zwischen Voll-, Teil- oder Ergänzungsschätzung[11]. Eine Vollschätzung kommt nur ausnahmsweise infrage, wenn überhaupt keine Anhaltspunkte formaler Art (Belege, Aufzeichnungen) existieren. Ansonsten ist die Buchführung durch Zuschätzungen zu komplettieren (s. auch Rz. 1211). Traditionelle Methoden der Schätzung sind Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung, Nachkalkulation, Richtsatzschätzung sowie innerer und äußerer Betriebsvergleich[12] oder der Vorjahresvergleich[13]. Neuere Methoden mittels Datenverarbeitung sind grafischer Reihen- und Zeitreihenvergleich[14] sowie der Chi-Quadrat-Test[15]. Sie sind allerdings wie die Quantilsermittlung[16] dazu geeignet, die Richtigkeit der Angaben des Stpfl. zu überprüfen, nicht aber dazu, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln[17].

 

Rz. 482

[Autor/Stand] Bei der Vermögenszuwachsrechnung (auch Gesamtvermögensvergleich genannt) wird nicht der Gewinn, sondern das steuerpflichtige Einkommen eines gewissen Zeitraums aufgrund der Annahme ermittelt, dass ein Vermögenszuwachs nur aus steuerpflichtigem Einkommen, steuerfreien Einnahmen und einmaligen Vermögensanfällen abzgl. der Aufwendungen für den Lebensunterhalt bzw. für Schenkungen entstanden sein kann. Die finanzgerichtliche Rspr. stellt hohe Anforderungen an diese Schätzungsmethode (überschaubarer Vergleichszeitraum, umfassende Berücksichtigung der Geldanfangs- und Geldendbestände). Wenig zielführend ist diese Methode schon deshalb, weil steuerfreie Einnahmen erzielt worden sein können, die den Vermögenszuwachs erklären[19]. Die Geldverkehrsrechnung als Abwandlung der Vermögenszuwachsrechnung kommt insb. bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in Betracht. Ein ungeklärter Vermögenszuwachs aus einer Vermögenszuwachsrechnung oder ein ungeklärter Ausgabenüberschuss bei einer Geldverkehrsrechnung rechtfertigt auch bei ordnungsgemäßer Buchführung die Annahme, dass höhere Betriebseinnahmen erzielt und höhere Privatentnahmen getätigt wurden[20].

 

Rz. 483

[Autor/Stand] Die Nachkalkulation wird als Verprobungsmethode insb. bei Betriebsprüfungen von Handels- und Dienstleistungsbetrieben (Gaststätten, Restaurants) angewandt[22]. Der Getränkeumsatz muss dabei nicht allein aufgrund von Einkaufsrechnungen ermittelt werden, sondern kann unter Berücksichtigung von Zeugenaussagen geschätzt werden[23]. Die Annahme des Verhältnisses eines Getränkeumsatzes von 30 v.H. zu einem Speiseumsatz von 70 v.H. wird entgegen der Praxis der Steufa in der finanzgerichtlichen Rspr. nicht uneingeschränkt als sachgerecht angesehen[24]. Im Besteuerungsverfahren sehr gebräuchlich sind der äußere und innere Betriebsvergleich[25] und die Schätzung nach den amtlichen Richtsätzen der Finanzverwaltung. Auf der Basis vergleichbarer Faktoren wie Umsatz, Rohgewinn, Summe des Wareneinkaufs wird ein Gewinn geschätzt. Diese Schätzung kann sich anlehnen an die Ergebnisse vergleichbarer Betriebe (externer Betriebsvergleich, Richtsatzschätzung) oder an Ergebnisse des geprüften Betriebes über verschiedene Zeiträume (interner Betriebsvergleich, Rohgewinn...

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