Leitsatz

Wegen der starren Umsatzgrenze von maximal 17.500 Euro Vorjahresumsatz als Voraussetzung für die Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG) schließt auch ein geringfügiges Überschreiten die Anwendung des § 19 UStG aus. Umfang und Umstände des Überschreitens sowie ein Verschulden sind insoweit ohne Bedeutung. Die Kleinunternehmerregelung ist daher nicht anwendbar, wenn sich aufgrund einer Außenprüfung nachträglich ergibt, dass der Vorjahresumsatz die Umsatzgrenze von 17.500 Euro geringfügig (hier: von Betriebsprüfung mit 18.172 Euro festgestellter Vorjahresumsatz) überschritten hat.

Ist der Unternehmer aber subjektiv von einem Nichtüberschreiten ausgegangen und hat er die Kleinunternehmerregelung deswegen weiter angewendet, kommt eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht, die aber in einem gesonderten Billigkeitsverfahren und nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung zu überprüfen ist.

 

Sachverhalt

Der betroffene Unternehmer hat für das Streitjahr 2013 die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG angewendet. Nach seinen Aufzeichnungen habe der Vorjahresumsatz 2012 nur 17.239,48 EUR betragen und er sei davon ausgegangen, dass er auch im Streitjahr 2013 die Grenze von 17.500,00 EUR nicht überschreiten werde. Laut einer in 2015 erfolgten Außenprüfung hatte er sich jedoch bei der Zusammenstellung seiner Umsätze aus 2012 um 152,78 EUR verrechnet. Weil er außerdem für die von ihm getätigten Privateinlagen keinen Nachweis erbringen konnte, schätzte die Außenprüfung zusätzlich Umsätze i. H. v. 780 EUR hinzu. Der sich danach ergebende Umsatz von 18.172,26 EUR überschreitet die Umsatzgrenze von 17.500 EUR, wenn auch nur geringfügig. Das Finanzamt versagte daher für das Streitjahr 2013 die Anwendung der Kleinunternehmerregelung.

Nach Auffassung des Unternehmers müsse das Überschreiten der 17.500 EUR-Grenze zu Beginn des Kalenderjahres für den Unternehmer offensichtlich und bekannt sein. Daran fehle es aber im Streitfall.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hält das Argument des Unternehmers, das Überschreiten der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG müsse bereits zu Beginn des Kalenderjahres für den Unternehmer offensichtlich und bekannt sein, für zutreffend. Allerdings habe der Unternehmer das Risiko der zutreffenden Ermittlung der Umsätze zu tragen. Ergibt sich - wie im Streitfall - aufgrund einer Außenprüfung nachträglich, dass die Höhe des Vorjahresumsatzes die Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten hat, so steht nunmehr fest, dass eine unerlässliche Voraussetzung für die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG von Anfang an gefehlt hat. Die Grenze von 17.500 EUR ist starr, so dass auch ein geringfügiges Überschreiten die Anwendung des § 19 UStG ausschließt. Umfang und Umstände des Überschreitens sind ohne Bedeutung und für die Frage einer sachlichen Unbilligkeit unerheblich. Auf ein Verschulden kommt es (im Festsetzungsverfahren) nicht an.

War aber der Unternehmer - wie im Streitfall - subjektiv von einem Nichtüberschreiten der Grenze ausgegangen, kommt nach Auffassung des Finanzgerichts jedoch eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht, insbesondere wenn der Irrtum entschuldbar war und der Unternehmer nachweisen kann, dass er seine Preise ohne Umsatzsteuer kalkuliert hat.

Ob die Voraussetzungen für einen solchen Erlass im Streitfall erfüllt sind, ist jedoch nach Auffassung des Finanzgerichts ohne Einfluss auf die im vorliegenden Verfahren allein zu prüfende Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung und muss deshalb in einem gesonderten (Billigkeits-)Verfahren geprüft werden.

 

Hinweis

Nach bisheriger deutscher Praxis sind Festsetzungs- und Billigkeitsverfahren in zwei getrennten Verfahren abzuwickeln. Im Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit von Vorsteuern hat nun der Bundesfinanzhof dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob gegebene Billigkeitsgründe nicht bereits im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen sind (vgl. Vorlagebeschlüsse des BFH v. 6.4.2016, V R 25/15 und XI R 20/14). Aus der Sicht der Praxis wäre es begrüßenswert, wenn der Europäische Gerichtshof dies bejahen würde. Bis dahin empfiehlt es sich, bereits bei Einlegung des Einspruches gegen den Umsatzsteuerbescheid zusätzlich einen gesonderten Billigkeitsantrag zu stellen. Dadurch wird die Herbeiführung einer endgültigen Entscheidung zeitlich stark verkürzt.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.07.2016, 4 V 1379/15

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