Leitsatz

1. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige seine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG vorausgesetzt inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt hat (Anschluss an BFH, Urteil vom 24.10.2012, V R 43/11, BFHE 239, 327, BStBl II 2013, 491).

2. Diese Auslegung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG steht – unabhängig davon, ob das Kindergeld in seiner steuerrechtlichen oder sozialrechtlichen Funktion betroffen ist – im Einklang mit dem Unionsrecht.

3. Eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG liegt nur dann vor, wenn das FA in dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid dem entsprechenden Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen hat. Lässt sich eine solche Behandlung dem Steuerbescheid nicht eindeutig entnehmen, ist maßgebend auf seinen durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog) zu ermittelnden objektiven Erklärungsinhalt abzustellen (Konkretisierung des Senatsurteils vom 24.5.2012, III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897).

 

Normenkette

§ 8, § 9 AO, § 1 Abs. 1, § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 7, § 11, § 49, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 67 FGO, § 133, § 157 BGB, Art. 13 ff., 73, 76 VO (EWG) Nr. 1408/71, Art. 10 VO (EWG) Nr. 574/72, Art. 7 VO (EWG) Nr. 1612/68, Art. 39, 42 (jetzt AEUV Art. 45, 48) EGV

 

Sachverhalt

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und Vater zweier Kinder, mit denen er zusammen mit der Kindsmutter in Polen lebte. Vom 15.3.2005 bis 8.6.2005 und vom 23.1.2006 bis 30.4.2006 war er als Saisonarbeiter in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In den Monaten März bis Juni 2005 bezog er in Polen Familienleistungen für beide Kinder, für Januar bis April 2006 stellte er dort keinen Antrag.

Den Antrag auf Kindergeld lehnte die Familienkasse ab. Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst Kindergeld für die Zeiträume, in denen er in Deutschland als Saisonarbeiter tätig war (März 2005 bis Juni 2005 sowie Januar 2006 bis April 2006). Später erweiterte er seinen Antrag auf die außerhalb seiner Saisonarbeitertätigkeit liegenden Zeiträume der Jahre 2005 und 2006.

Das FG Düsseldorf verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für März bis Juni 2005 und Januar bis April 2006 festzusetzen (Urteil vom 13.7.2011, 15 K 1011/09 Kg); im Übrigen wies es die Klage als unbegründet ab.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Im zweiten Rechtsgang ist zu klären, ob der Kläger tatsächlich – wie von ihm beantragt – nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt wurde, in welchen Monaten der Jahre 2005 und 2006 er inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt hat und ob in diesen Monaten eine Konkurrenzsituation mit polnischen Familienleistungen bestand.

 

Hinweis

1. Mehrere Senate des BFH haben bereits entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG voraussetzt, dass der Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt worden ist, und nur für die Monate besteht, in denen er inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt hat. Das Besprechungsurteil setzt sich ausführlich mit den dagegen vorgebrachten Argumenten auseinander und verwirft sie; außerdem wird begründet, warum in dieser Sache nicht der EuGH angerufen wird.

2. Für die Frage, in welchen Monaten inländische Einkünfte aus einer Arbeitnehmertätigkeit erzielt wurden, kommt es nicht auf die Ausübung der Tätigkeit an, sondern auf den Zufluss des Arbeitslohns (§ 11 EStG).

3. Ein polemischer Hinweis: Wenn sich die Kindergeldberechtigung aufgrund einer Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG (in Widerspruch zum ersten Leitsatz) auf das gesamte Kalenderjahr erstrecken würde, hätte dies zur Folge, dass eine eintägige Tätigkeit im Inland durch eine ansonsten einkommenslose Person mit zwei Kindern (z.B. der Verkauf von Sylvesterfeuerwerk in Frankfurt/Oder am 31.12. durch eine Hausfrau und Mutter) 4.416 EUR Kindergeld einbringen würde.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.7.2013 – III R 59/11

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