Leitsatz

Ausländer, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen und nach vorangegangener berechtigter Erwerbstätigkeit für den Besuch der Meisterschule nach dem AFBG gefördert werden, können Kindergeld beanspruchen wie Ausländer, die laufende Geldleistungen nach dem SGB III beziehen.

 

Normenkette

§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG, § 30 Abs. 4 AuslG 1990, § 25 Abs. 5 AufenthG, § 2 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 2 AFBG

 

Sachverhalt

Die Klägerin reiste zu Beginn der neunziger Jahre aus der ehemaligen Sowjetunion ein. Ihr Asylantrag blieb ohne Erfolg, sie wurde jedoch geduldet. Seit September 2002 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, die einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG entspricht.

Nachdem sie von 1999 bis 2002 eine Ausbildung zur Augenoptikerin absolviert hatte, arbeitete die Klägerin bis Ende August 2003 bei ihrem Ausbildungsbetrieb als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin. Von September 2003 bis Juli 2005 besuchte sie eine Meisterschule mit Vollzeitunterricht zwecks Ausbildung zur Optikermeisterin. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie durch Zuwendungen aus dem sog. Meister-BAföG-Programm. Nach bestandener Meisterprüfung wurde sie wieder von ihrem Ausbildungsbetrieb beschäftigt.

Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld für die Zeiträume Januar 2001 bis August 2002 (Lehre) und von September 2003 bis Juli 2005 (Meisterschule) ab.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG bescheinigte der Klägerin zwar eine mustergültige Integration, sah sich aber nicht als befugt an, die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung zu korrigieren (Hessisches FG, Urteil vom 29.4.2008, 2 K 2855/06).

 

Entscheidung

Der BFH hatte diese Bedenken nicht und gab der Klage für den Zeitraum des Besuchs der Meisterschule statt. Für den Zeitraum der Lehrzeit blieb es bei der Klagabweisung.

 

Hinweis

1. Ausländer mit minderem Aufenthaltstitel erhalten nur dann Kindergeld, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren im Bundesgebiet aufhalten und in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sind. Ein Studium oder eine betriebliche Ausbildung genügen dafür nicht, wohl aber Elternzeit und der Bezug laufender Geldleistungen nach dem SGB III. Dazu gehörten seinerzeit neben dem ALG z.B. auch die Förderung von Trainingsmaßnahmen, mit denen die Arbeitsbereitschaft geprüft wurde, sowie dem nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses.

2. Das sog. Meister-BAföG wird Personen gewährt, die bereits über einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf verfügen. Ausländer können Meister-BAFöG erhalten, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und sich drei Jahre im Inland aufgehalten haben und rechtmäßig erwerbstätig waren.

3. Der Gesetzgeber wollte in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG keinen abschließenden Katalog schaffen, sondern an Tatsachen anknüpfen, die ein dauerhaftes Verbleiben im Inland indizieren, insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts aus eigener Erwerbstätigkeit. Warum dann der Bezug von SGB III-Leistungen nach dem Gesetzeswortlaut zum Bezug von Kindergeld berechtigt, das Meister-BAföG trotz seiner strengeren Voraussetzungen aber nicht, ist unklar. Möglicherweise wurde es schlicht vergessen.

4. Da Personen, die über einen anerkannten deutschen Berufsausbildungsabschluss verfügen, danach im Inland berechtigt erwerbstätig waren und anschließend mit einer Förderung durch das AFBG den Meistertitel erwerben, fester und verlässlicher in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sind als z.B. unqualifizierte Personen, die Leistungen nach dem SGB III beziehen, hat der BFH auch ihnen ­Kindergeld zuerkannt. Mit welcher Methode er zu diesem Ergebnis gelangt ist, hat der BFH nicht offen­gelegt (verfassungskonforme Auslegung? Analogie?).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.8.2011 – III R 62/09

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