Leitsatz

1. Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern – z.B. durch Abmeldung von der (Hoch‐)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses – abgebrochen hat.

2. Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.

3. Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und c, Nr. 3, § 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Mutter der 1994 geborenen A, die 2016 eine zweijährige schulische Ausbildung als pharmazeutisch-technische Assistentin begann. Die Familienkasse setzte deshalb Kindergeld für A fest.

Im September 2017 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass ab September 2017 bis voraussichtlich Februar 2018 kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestehe, da A vollzeitbeschäftigt und keine Auszubildende mehr sei. A werde ihre Ausbildung voraussichtlich im Februar 2018 fortsetzen. Tatsächlich war A vorzeitig bereits im März 2017 von der Schule abgegangen.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab April 2017 auf und forderte das für April bis Oktober 2017 ausbezahlte Kindergeld von der Klägerin zurück.

Ihrem Einspruch legte die Klägerin zwei ärztliche Atteste aus dem April 2017 bei. Danach sollte A aufgrund gesundheitlicher Probleme das laufende Schuljahr unterbrechen und ihre Therapie vollenden. Im Fall einer Besserung könne sie das Schuljahr im September wieder aufnehmen. Ein Nervenarzt attestierte, dass A seit 7.2.2017 in seiner fachärztlichen Mitbehandlung stehe. Sie sei zu einer regelmäßigen Teilnahme am Schulunterricht nicht fähig. Es sei realistisch, eine Freistellung bis zum Beginn des neuen Schuljahres im Herbst einzuplanen.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Im Klageverfahren erließ die Familienkasse einen Abhilfebescheid, durch den Kindergeld für November 2017 bis Januar 2018 festgesetzt wurde.

Das FG gab der auf die Aufhebung des Aufhebungsbescheids und der Einspruchsentscheidung mit Ausnahme des Monats Oktober 2017 gerichteten Klage in vollem Umfang statt, weil A für einen Beruf ausgebildet worden sei (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.9.2018, 7 K 391/18, Haufe-Index 15091692).

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse führte zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob A behinderungsbedingt unfähig zum Selbstunterhalt war oder wegen Ausbildungsplatzsuche berücksichtigt werden kann.

 

Hinweis

1. In Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Ausbildungsmaßnahmen werden durch eine Einschreibung an einer (Hoch-)Schule oder einen betrieblichen Ausbildungsvertrag indiziert. Das formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses genügt aber nicht, wenn es an ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahmen fehlt.

2. Die Unterbrechung der Ausbildung wegen einer Erkrankung, der Mutterschutzfristen oder Untersuchungshaft wegen eines laufenden Strafverfahrens kann unschädlich sein, wenn das Kind (weiterhin) einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist.

Wird dagegen das Ausbildungsverhältnis beendet, z.B. durch Abmeldung von der Schule oder Kündigung des Ausbildungsvertrags, werden Ausbildungsmaßnahmen nicht durch die Erkrankung o.Ä. verhindert, sondern durch den Wegfall des Ausbildungsverhältnisses. Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Ausbildung kommt deshalb nach dem Ausbildungsabbruch nicht mehr in Betracht.

3. Eine Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, setzt voraus, dass der Beginn der Ausbildung nicht aus anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert. Das Kind muss daher die persönlichen Voraussetzungen der gewünschten Ausbildung erfüllen und die Ausbildung im Fall des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können.

4. Auch ein Kind, das sich krankheitsbedingt nicht um einen Ausbildungsplatz bewerben kann oder diesen im Fall einer erfolgreichen Bewerbung nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt antreten könnte, kann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden. Das setzt aber eine nur vorübergehende Erkrankung voraus. Die Erkrankung ist nicht vorübergehend, wenn die die Bewerbungsbemühungen oder den Ausbi...

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