Leitsatz

Eine Abfindung ist weder steuerfrei noch ermäßigt zu besteuern, wenn kein wirklicher Arbeitsplatzverlust vorliegt. Dies ist anzunehmen bei einem Wechsel des Arbeitgebers, ohne dass sich der Arbeitsbereich, die Entlohnung und der soziale Besitzstand wesentlich ändern.

Das Finanzamt kann davon ausgehen, dass die Angaben in der Steuererklärung zutreffend sind, wenn sie mit den dazu eingereichten Unterlagen übereinstimmen. Weitere Ermittlungen zur Überprüfung der Angaben sind nicht erforderlich. Stellt sich später heraus, dass die Angaben des Steuerpflichtigen jedoch falsch waren, ist die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu berichtigen. Der Geltungsbereich einer Anrufungsauskunft nach § 42e EStG beschränkt sich auf das Lohsteuerabzugsverfahren.

 

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1976 Arbeitnehmer der W-AG. Zum 1.11.1983 wurde er zur I-GmbH abgeordnet, an der die W-GmbH mit 31% beteiligt war, und erklärte sich bereit, im Falle von sachlichen betrieblichen Erfordernissen den Arbeitsvertrag aufzuheben, sofern ihm eine andere zumutbare Stelle innerhalb des W-Konzerns angeboten würde. Auf Grund von betriebspolitischen Entscheidungen wurde bei der I-GmbH mit Beginn der 90er Jahre sukzessive nahezu das gesamte Personal abgebaut mit der Folge, dass der Kläger zum 1.8.1994 wieder zur W-GmbH wechselte. Die bisherigen Dienstzeiten (seit 1976) wurden auf das neue Arbeitsverhältnis angerechnet; die Probezeit entfiel. Der neue Arbeitsbereich des Klägers unterschied sich nicht wesentlich von seiner bisherigen Tätigkeit. Die I-GmbH zahlte dem Kläger im Jahre 1994 eine Abfindung, die sie nach Einholung einer verbindlichen Auskunft des Betriebsstättenfinanzamts nach Abzug des Freibetrags nach § 3 Nr. 9 EStG ermäßigt nach § 34 EStG besteuerte. Die Steuerfestsetzung des Jahres 1994 für den Kläger erfolgte in Übereinstimmung mit den Angaben in der Steuererklärung.

Während einer später durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung vertrat das Finanzamt jedoch die Auffassung, die Abfindung sei in vollem Umfang steuerpflichtig, da es sich bei dem Arbeitswechsel um eine bloße Umsetzung innerhalb des Konzerns handelte und das bisherige Dienstverhältnis fortgesetzt worden wäre. Demzufolge wurde die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs.1 Nr. 1 AO geändert. Der gegen den Änderungsbescheid erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das FG folgte der Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage ab. Die für die Steuerfreiheit von Abfindungen notwendige endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei im Streitfall nicht gegeben. Auf den bloßen Arbeitgeberwechsel komme es nicht an. Vielmehr sei entscheidend, inwieweit sich das Arbeitsverhältnis inhaltlich (Arbeitsbereich, Entlohnung, Wahrung des sozialen Besitzstandes) verändert habe. Im Streitfall hätten die Beteiligten das neue Arbeitsverhältnis inhaltlich als Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses ausgestaltet, so dass die Abfindung nicht für den Arbeitsplatzverlust gezahlt worden sei.

Verfahrensrechtlich sei dem Finanzamt kein Fehler vorzuwerfen. Die Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei zulässig, weil im Rahmen des Veranlagungsverfahren kein Anlass bestanden hätte, weitere Erkundigungen bezüglich der Angaben des Klägers einzuholen. Die erteilte Anrufungsauskunft sei nur für den Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens bindend, nicht jedoch für den Arbeitnehmer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens.

 

Hinweis

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Az. beim BFH: XI R 8/05). Es ist zu erwarten, dass die Finanzämter in vergleichbaren Fällen in Übereinstimmung mit der Entscheidung des FG eine Nachversteuerung der Abfindungen vornehmen werden. Sollte die Steuerfestsetzung endgültig erfolgen, sollten die Arbeitnehmer Rechtsbehelf einlegen. Die eine Abfindung auszahlenden Arbeitgeber sollten zukünftig in vergleichbaren Fällen den Lohnsteuerabzug vornehmen, sofern sie keine anders lautende Auskunft seitens des Finanzamtes eingeholt haben.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 13.11.2002, 10 K 7060/01 E

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