Leitsatz

Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seine mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende, mittellose Lebenspartnerin sind ohne Berücksichtigung der sog. Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 S. 2 EStG abziehbar (gegen BMF-Schreiben vom 28.03.2003, BStBl I 2003, 243).

 

Normenkette

§ 33a Abs. 1 S. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger lebte mit seiner Verlobten in eheähnlicher Gemeinschaft. Sie war wegen Krankheit nicht erwerbstätig und ohne Einkünfte. Wegen des Einkommens des Klägers hatte sie jedoch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt.

Ausgehend von der Opfergrenze berücksichtigte das FA von den Unterhaltsleistungen des Klägers (Miete und Lebensunterhalt), die dieser mit dem Höchstbetrag für 2003 von 7 188 Euro geltend machte, lediglich 2 741 Euro als außergewöhnliche Belastung. Nach der Opfergrenze waren nur 23 % des Nettoeinkommens des Klägers von 11 918 Euro abziehbar. Denn für jede vollen 500 Euro des Nettoeinkommens waren 1 % zu berücksichtigen.

Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil v. 20.02.2007, 13 K 206/05, Haufe-Index 1755579, EFG 2007, 1169) hielt die Opfergrenze für nicht anwendbar und gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Auch der BFH wendet zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Vergleich zum Sozialrecht die Opfergrenzenregelung bei eheähnlicher Lebensgemeinschaft nicht an. Die Revision des FA wurde daher zurückgewiesen.

 

Hinweis

Unterhaltsleistungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigte Person können nach § 33a Abs. 1 EStG bis zu 7 680 Euro als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Den gesetzlich Unterhaltsberechtigten wird eine Person gleichgestellt, wenn ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden.

Nicht erforderlich ist allerdings die tatsächliche Kürzung öffentlicher Mittel. Es reicht aus, wenn die unterhaltene Person keinen Sozialleistungsanspruch hat. Die unterstützte Person braucht daher nicht einen von vornherein erfolglosen Antrag auf Sozialleistungen zu stellen.

Die Verwaltung wendet die sog. Opfergrenze, die zur Kürzung der anzuerkennenden Unterhaltsaufwendungen führt, auch auf Unterhaltsleistungen an den in Haushaltsgemeinschaft lebenden nichtehelichen Partner an (BMF, Schreiben vom 28.03.2003, BStBl I 2003, 243).

Die Opfergrenzenregelung besagt, dass Unterhaltsleistungen nur dann zwangsläufig und daher als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, wenn dem Leistenden noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung seines Lebensbedarfs (und den seiner Ehefrau und seiner Kinder) verbleiben (BMF, Schreiben vom 09.02.2006, BStBl I 2006, 217, Rz. 34 ff.).

Der BFH wendet jedoch – abweichend von der Verwaltungsauffassung – die Opfergrenzenregelung nicht an, wenn zusammenlebende Partner eine sozialrechtlicheBedarfsgemeinschaft bilden und daher gemeinschaftlich wirtschaften müssen. Denn wenn nur einer der Partner Einkünfte oder Bezüge erzielt, ist es – jedenfalls bei einfachen Verhältnissen – praktisch unumgänglich, dass daraus die größten Ausgaben wie Miete mit Nebenkosten, Nahrungsmittel und Kleidung für beide beglichen werden.

In solchen Fällen wäre es auch sittlich nicht zu billigen, den bedürftigen Partner, dem mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen die Sozialleistungen verweigert werden, nur unzureichend zu unterstützen. Im Übrigen entspricht die gleichmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft auch der Lebenserfahrung.

Mit der Nichtanwendung der Opfergrenze wird schließlich auch ein Widerspruch zum Sozialrecht vermieden. Andernfalls würde dem Unterstützten sozialrechtlich ein höherer Anteil am Einkommen des Unterhalt Leistenden zugerechnet als dieser wegen der Opfergrenzenregelung abziehen könnte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.05.2008, III R 23/07

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