Leitsatz

1. Ein ausländischer Arbeitnehmerverleiher und nicht der inländische Entleiher ist aus abkommensrechtlicher Sicht jedenfalls dann regelmäßig Arbeitgeber des beschäftigten Leiharbeitnehmers, wenn dieser lediglich 2½ Wochen für den Entleiher tätig ist, sich seine Vergütung im Grundsatz unabhängig von der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit beim Entleiher berechnet und kein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Einschaltung des Arbeitnehmerverleihers besteht (Abweichung vom BMF-Schreiben vom 5.1.1994, BStBl I 1994, 11 unter 4.).

2. Ein ausländischer Arbeitnehmerverleiher kann, anders als ein inländischer Arbeitgeber, keine Bescheinigung über die Freistellung von der Lohnsteuer auf gezahlten Arbeitslohn gem. § 39b Abs. 6 EStG beanspruchen (Abweichung vom Senatsurteil vom 12.6.1997, I R 72/96, BStBl II 1997, 660).

3. Wegen dieser unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Behandlung wird dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Widerspricht es Art. 49 EG-Vertrag, wenn zwar der inländische Arbeitgeber, nicht aber der ausländische Verleiher von Arbeitnehmern von der Verpflichtung zum Abzug der Lohnsteuer entbunden wird, weil der gezahlte Arbeitslohn nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Lohnsteuer freizustellen ist?

 

Normenkette

§ 38 Abs. 1 Satz 1 , § 39b Abs. 6 Satz 1 , § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG , Art. XVIII A Abs. 4 DBA-Großbritannien , Art. 39, Art. 49 EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft, tritt im Inland als Verleiherin u.a. britischer Arbeitskräfte auf. Sie ist im Besitz einer vom zuständigen Landesarbeitsamt nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erteilten Lizenz zum Arbeitnehmerverleih. Eine Betriebsstätte wird im Inland nicht unterhalten.

Das FA vertrat die Auffassung, dass für die Arbeitnehmer unabhängig von deren Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik, Lohnsteuer anzumelden und abzuführen sei. Nach vergeblicher Aufforderung, ab dem 4. Quartal 1996 berichtigte Lohnsteueranmeldungen abzugeben, erließ es gegen die Klägerin einen Schätzungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag für das 4. Quartal 1996. Über die dagegen gerichtete Klage ist noch nicht entschieden.

Die Klägerin beantragte, ihr im Hinblick auf einen ihrer Arbeitnehmer (N) für das 4. Quartal 1996 eine Freistellungsbescheinigung gem. § 39d Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 39b Abs. 6 Satz 1 EStG und Art. XI Abs. 3 DBA-Großbritannien zu erteilen. N war in der Zeit vom 30.10. – 16.11.1996 für die Klägerin in Deutschland tätig. Er ist britischer Staatsangehöriger mit ausschließlichem Wohnsitz in Großbritannien. Das FA lehnte diesen Antrag ab.

 

Entscheidung

Die von der Klägerin erhobene Sprungverpflichtungsklage war erfolgreich. Der BFH sah dies auf die Revision des FA in der Sache nicht anders. Er sah sich aber außerstande durchzuerkennen und beschloss deshalb, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Wegen der Einzelheiten sei auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Wenn Sie sich die Praxis-Hinweise in BFH-PR 2002, 357 (dort unter 4.) zum BFH-Urteil vom 5.9.2001, I R 55/00 genauer zu Gemüte führen (oder geführt haben), erfahren Sie die Einzelheiten zur Abgrenzung zwischen den abkommensrechtlichen, dem arbeitsrechtlichen und dem lohnsteuerrechtlichen Begriff des Arbeitgebers und Ihnen werden auch die Besonderheiten mitgeteilt, denen ausländische Arbeitnehmer-Verleihfirmen unterliegen. Dort wurde zugleich in Aussicht genommen, wie der BFH ggf. in der Sache über die Revision I R 21/01 entscheiden könnte. Das hat sich nun vollen Umfangs bewahrheitet und bestätigt, so dass es an dieser Stelle im Grundsatz genügt, auf BFH-PR 2002, 357, 358 zu verweisen.

2. Zusammengefasst gilt danach, wie aus dem 1. Leitsatz ersichtlich: Abkommensrechtlicher Arbeitgeber gem. Art. 15 Abs. 1 OECD-MA ist derjenige, der den Lohn in wirtschaftlicher Hinsicht tatsächlich trägt (wirtschaftlicher Arbeitgeber). Das gilt grundsätzlich auch bei Einschaltung eines gewerblichen ausländischen Arbeitnehmerverleihers. Dieser ist im Regelfall abkommensrechtlicher Arbeitgeber, obwohl er die Lohnkosten dem inländischen Entleiher weiter belastet.

Dennoch stellen die Kosten bei ihm keinen bloßen durchlaufenden Posten dar. Sie sind vielmehr das Entgelt für die erbrachte Dienstleistung, den Arbeitnehmerverleih. Soweit die Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 5.1.1994, BStBl I 1994, 12 Tz. 2.4) etwas anderes annehmen will, ist dem nicht zu folgen. Dass im Arbeitnehmerverleih gelegentlich Missbrauchsgefahren drohen, ändert daran nichts. Eine Verschiebung der Arbeitgeberfunktion ist gleichwohl nur in Einzelfällen konkreter Missbräuche gerechtfertigt (s. Nr. 8 des Musterkommentars zu Art. 15 OECD-MA).

Darüber hinaus zeigt der BFH die Grenzen der "Eingliederung" des Leiharbeitnehmers in das Unternehmen des Entleihers auf: Bei einer nur 14-tägigen Tätigkeit, wie im Beschlussfall, lasse sich eine solche kaum jemals annehmen. In diesem Zusammenhang sei auch auf das BMF-Schreiben vom 9.11.2001 (IStR 2001, 783) ...

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