Leitsatz

Im Rahmen der Ermittlung des steuerfreien (fiktiven) Zugewinnausgleichs ist der Nachlass i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG 1974 nicht um die Beträge zu erhöhen, die gem. § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB infolge unentgeltlicher Zuwendungen bei der Ermittlung der Zugewinnausgleichsforderung dem Endvermögen des Erblassers hinzuzurechnen sind.

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG, § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Vermächtnisnehmerin ihres 1995 verstorbenen Ehemanns. Die Eheleute lebten im Güterbestand der Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann hatte zu Lebzeiten erhebliche unentgeltliche Zuwendungen i.S.d. § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB getätigt.

Verkehrswert und Steuerwert sowohl des in den Nachlass fallenden Endvermögens als auch der unentgeltlichen Zuwendungen wichen erheblich voneinander ab.

Das FA ermittelte den gem. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG steuerfreien Teil der fiktiven Ausgleichsforderung gem. Satz 1 der Vorschrift in der Weise, dass es den "Nachlass" i.S.d. Satzes 5 um die unentgeltlichen Zuwendungen erhöhte. Dadurch ergab sich ein steuerpflichtiger Erwerb der Klägerin. Ihre dagegen erhobene Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Auch der BFH teilte die Ansicht der Klägerin. Schenkungen, die nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen hinzuzurechnen sind, gehören weder zivilrechtlich zum Nachlass noch können sie erbschaftsteuerrechtlich dem Nachlass i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG hinzugerechnet werden.

Der Nachlass umfasst begrifflich das gesamte auf den oder die Erben im Weg der Gesamtrechtsnachfolge übergehende Vermögen. Schenkungen, die nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen hinzuzurechnen sind, sind keine Vermögensgegenstände in diesem Sinn; sie sind lediglich Rechnungsgrößen für die Ermittlung der Höhe des Zugewinnausgleichs.

Eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Nachlass" i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG dahingehend, dass es als Endvermögen verstanden wird, ist nicht möglich.

 

Hinweis

Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet, sieht § 1371 BGB zwei Lösungen für den Ausgleich des Zugewinns vor. Nach der erbrechtlichen Lösung (Abs. 1) erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten (pauschal) um ein Viertel. Ob tatsächlich ein Zugewinn erzielt wurde, ist dabei unerheblich. Nach der güterrechtlichen Lösung (Abs. 2) ist ein echter Zugewinnausgleich gem. den §§ 1373 bis 1383 BGB durchzuführen.

Kommt die erbrechtliche Lösung nach Abs. 1 zum Tragen, bei der zivilrechtlich keine Ausgleichsforderung zu ermitteln ist, fingiert § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG eine derartige Ausgleichsforderung für Zwecke der Erbschaftsteuer. Damit werden überlebende Ehegatte erbschaftsteuerrechtlich weitgehend gleich behandelt unabhängig davon, welche der beiden Lösungen des § 1371 Abs. 1 und 2 BGB zur Anwendung gekommen ist.

Die erbrechtliche Lösung des § 1371 Abs. 1 BGB steht allerdings grundsätzlich nur dem überlebenden Ehegatten zu, der tatsächlich gesetzlicher Erbe ist. Erbschaftsteuerrechtlich profitiert jedoch auch der Ehegatte, der nur Vermächtnisnehmer ist, von der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Dies ergibt sich aus der negativen Verweisung auf § 1371 Abs. 2 BGB und der dort enthaltenen negativen Voraussetzung, wonach überlebenden Ehegatten auch kein Vermächtnis zustehen darf.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.6.2005, II R 7/01

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