Leitsatz

Die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ausgelegt im Licht von Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG), steht einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der bei der Besteuerung der Gewinne einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Muttergesellschaft die Kosten, die mit einer von dieser gehaltenen Beteiligung an dem Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaft verbunden sind, nur dann abzugsfähig sind, wenn diese Kosten mittelbar der Erzielung von Gewinnen dienen, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft niedergelassen ist, steuerpflichtig sind.

 

Normenkette

Art. 52 Abs. 1, 58 Abs. 1 EGV

 

Sachverhalt

Bosal betreibt Holding-, Finanzierungs- und Lizenzgeschäfte und unterliegt in den Niederlanden der KSt. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 1993 meldete sie im Zusammenhang mit der Finanzierung ihrer Beteiligungen an in neun anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften Kosten in Höhe von 3.969.339 NLG an. In Ergänzung zu dieser Steuererklärung beantragte sie einen Abzug dieser Kosten von ihrem eigenen Gewinn.

Der Inspecteur lehnte die Gewährung des beantragten Abzugs ab. Da die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits nach Auffassung des Hoge Raad der Niederlande von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt, hat er das Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH eingeleitet.

 

Entscheidung

Die Entscheidung des EuGH ergibt sich aus dem Leitsatz und aus den erläuternden Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Art. 13 Abs. 1 der niederländischen Wet op de vennootschapsbelasting 1969 lautet:

Bei der Gewinnermittlung werden Gewinne aus einer Beteiligung sowie mit einer Beteiligung zusammenhängender Kosten nicht berücksichtigt, es sei denn, dass diese Kosten mittelbar der Erzielung von in den Niederlanden steuerpflichtigem Gewinn dienen (Freistellung von Beteiligungen). Zu den mit einer Beteiligung verbundenen Kosten werden auf jeden Fall die Zinsen und Kosten von Krediten gezählt, die in den sechs Monaten vor dem Erwerb der Beteiligung aufgenommen worden sind, soweit nicht anzunehmen ist, dass die betreffenden Kredite zu einem anderen Zweck als dem Erwerb der Beteiligung aufgenommen worden sind.

2. Vor diesem Entscheidungshintergrund hat der EuGH dem holländischen Gesetzgeber in recht knappen Worten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit bestätigt. Das besagte Gesetz und die darin angeordnete Abzugsbeschränkung unterlaufe die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit.

Rechtfertigungsgründe dafür ließen sich nicht ausmachen:

Der sog. Kohärenzgedanke hilft nicht weiter. Denn dieser setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung eines Steuervorteils einerseits und dem Ausgleich dieses Vorteils durch den steuerlichen Nachteil andererseits besteht, und zwar im Rahmen einer einigen Besteuerung. Geht es um verschiedene Steuern oder um verschiedene Steuerpflichtige, dann versagt dieser Gedanke. So lagen die Dinge auch hier, wo Steuerpflichtiger zum einen die in den Niederlanden ansässige Muttergesellschaft war und zum anderen die im EU-Ausland ansässige Tochtergesellschaft, also verschiedene juristische Personen. Für den jeweils Betroffenen stellt sich das Abzugsverbot also als Überbesteuerung dar, die mit einer wie auch immer gearteten Kohärenz nichts mehr zu tun hat.

Auch das sog. Territorialitätsprinzip, auf das sich die holländische Regierung bezog, rechtfertigt die Beschränkungen nicht. Denn es geht hier nicht um die Besteuerung in einem territorialen Binnensystem des jeweiligen Staats, sondern darum, dass jene Muttergesellschaft, welche eine EU-ausländische Tochtergesellschaft hat, anders behandelt wird, als eine solche ohne eine entsprechende Tochtergesellschaft. Darauf, in welchem Staatsgebiet die Tochtergesellschaften ihre Gewinne erzielen, kann es nicht ankommen.

3. Konsequenz für das deutsche Steuerrecht: Die Abzugsbeschränkungen, die sich aus der gegenwärtigen Fassung des § 8b Abs. 5 KStG für ausländische Schachtelbeteiligungen ergeben, stehen jetzt noch mehr als schon bislang vermutet auf dem gemeinschaftsrechtlichen Prüfstand. Insofern tut der Gesetzgeber gut daran, wenn er diese Vorschrift im Rahmen der derzeitigen Gesetzgebungsvorhaben im sog. Korb II auf in- wie auf ausländische Beteiligungen gleichermaßen anwenden will.

Möglicherweise erstrecken sich diese gemeinschaftsrechtlichen Zweifel auch auf die allgemeine Abzugsbeschränkungsnorm des § 3c Abs. 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG), weil hiernach Refinanzierungsaufwand bei einer abkommensrechtlich im Inland steuerbefreiten Auslandsschachtelbeteiligung nur dann und insoweit abzugsfähig bleibt, als im jeweiligen Veranlagungszeitraum tatsächlich Dividenden fließen. Vgl. die BFH-Urteile vom 29.5.1996, I R 15/94, I R 167/94 und I R 21/95, BStBl II 1997, 57, 60 und 63. Das erzwingt häufig eine gestalterische Gegenwehr in For...

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