Leitsatz

Errechnet die Bank bei vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrags die ihr gegen den Steuerpflichtigen zustehende Vorfälligkeitsentschädigung auf der Grundlage des Effektivzinses und zieht sie dabei den auf die Zeit nach der Vertragsbeendigung entfallenden Rest des Disagios als Rechnungsposten ab, so fließen dem Steuerpflichtigen dadurch keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe des restlichen Disagios zu.

 

Normenkette

§ 9 EStG , § 11 EStG , § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige S war an einer GbR beteiligt, aus der er Einkünfte aus VuV erzielte. Die Anschaffung und Aufstockung hatte er durch Darlehen finanziert, für die die Bank ein Disagio einbehalten hatte. Die Disagiobeträge waren als Sonderwerbungskosten des S aus VuV anerkannt worden.

1993 verkaufte S die Beteiligung und wollte die Darlehen zurückführen. Die Bank war mit der vorzeitigen Tilgung nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung einverstanden. Sie setzte ihren Zinsschaden mit 70 000 DM an und zog davon das auf die Zeit nach Vertragsbeendigung entfallende Disagio mit 30 000 DM ab, so dass sich eine Abstandszahlung von 40 000 DM ergab.

S machte den Betrag von 40 000 DM als Werbungskosten aus VuV geltend. Dies lehnte das FA ab, da die Vorfälligkeitsentschädigung durch die Veräußerung der Beteiligung veranlasst sei. Es erfasste aber das anteilige Disagio von 30 000 DM als Einnahmen aus VuV, weil damit Werbungskosten zurückgezahlt worden seien.

 

Entscheidung

Der BFH beurteilte wie das FA die Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten. Ebenso wie andere Veräußerungskosten ständen solche Aufwendungen nicht mit den Einkünften aus VuV, sondern mit dem nicht steuerbaren Vermögensbereich in Zusammenhang.

Die Rückzahlung von Werbungskosten (hier des anteiligen Disagios) sei zwar grundsätzlich Werbungskosten, so dass bei einer Aufrechnung (Verrechnung) insoweit ein steuerbarer Zufluss vorliegen könne.

Im Streitfall sei aber keine Aufrechnung (Verrechnung) gegeben, sondern eine Anrechnung, innerhalb derer das restliche Disagio lediglich einen unselbstständigen Rechnungsposten dargestellt habe. Denn die Bank habe die ihr entgangenen Zinsen auf der Grundlage des Effektivzinses berechnet, in dem das Disagio enthalten sei. Deshalb sei hinsichtlich des Disagios kein steuerlich zu erfassender Zufluss gegeben.

 

Hinweis

Bürgerlich-rechtlich ist zu unterscheiden zwischen der Aufrechnung, auch Verrechnung genannt (§§ 387 ff. BGB), und der Anrechnung. Bei der Aufrechnung (Verrechnung) stehen sich zwei gleichartige Forderungen gegenüber, wobei die Gegenforderung, mit der der Schuldner aufrechnet, vollwirksam und fällig sein muss, während die Hauptforderung, gegen die der Schuldner aufrechnet, lediglich erfüllbar, nicht bereits fällig sein muss.

Die Aufrechnung wird durch einseitige Aufrechnungserklärung des Schuldners oder auch durch Aufrechnungsvertrag wirksam und hat zur Folge, dass Haupt- und Gegenforderung, soweit sie sich decken, erlöschen.

Die Aufrechnung führt somit zu einem Zufluss und Abfluss für jede der beiden Forderungen in Höhe des Aufrechnungsbetrags.

Anders ist es bei einer Anrechnung. Hier bestehen nicht zwei gegenseitige Forderungen. Vielmehr wird von vornherein nur eine Forderung ermittelt. Bei der Berechnung dieser Forderung werden lediglich unselbstständige Rechnungsposten in Abzug gebracht.

Die Anrechnung führt deshalb nur zu einem Zu- und Abfluss hinsichtlich des Endbetrags, nicht auch der in die Berechnung dieses Betrags eingeflossenen unselbstständigen Rechnungsposten.

Diese unterschiedliche Wirkungsweise von Aufrechnung (Verrechnung) und Anrechnung hat Konsequenzen für die Frage der steuerlichen Erfassung eines Zu- und Abflusses und eröffnet einen gewissen Gestaltungsspielraum. Wird die Aufrechnung gewählt, findet ein Zu- und Abfluss für die beiden gegenseitigen Forderungen statt. Bei einer Anrechnung dagegen bezieht sich der Zu- und Abfluss nur auf den tatsächlich zu zahlenden Spitzenbetrag.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.2.2002, IX R 36/98

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