Leitsatz

Ausländer, die vergeblich die Anerkennung als Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit begehren, haben auch für solche Zeiten keinen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 EStG, in denen sie zu Unrecht im Besitz deutscher Ausweispapiere sind.

 

Normenkette

§ 62 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin reiste 1989 mit ihren zwei Kindern aus Polen ein und erhielt aufgrund ihrer Angaben, sie sei deutsche Volkszugehörige, deutsche Ausweispapiere und Kindergeld. Da sie ihre Zugehörigkeit in der Folgezeit nicht glaubhaft machen konnte, wurden später Pass und Personalausweis eingezogen. Ihr wurde allerdings eine sog. Fiktionsbescheinigung ausgestellt, nach der ihr Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt galt.

Die Familienkasse forderte das Kindergeld mit der Begründung zurück die Klägerin sei als Ausländerin nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung nach dem AuslG 1990 gewesen. Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 16.11.2004, 14 K 1288/01 Kg, Haufe-Index 1325077, EFG 2005, 716).

 

Entscheidung

Auch die Revision blieb ohne Erfolg. Da Pass und Personalausweis unrechtmäßig ausgestellt waren, hätte die Klägerin – als Ausländerin – einen nach § 62 Abs. 2 EStG anerkannten ausländerrechtlichen Status haben müssen. Dazu reichte die sog. Fiktionsbescheinigung nicht aus.

 

Hinweis

1.§ 62 Abs. 1 EStG regelt die Kindergeldberechtigung deutscher Staatsangehöriger.

Der BFH betont, dass ein Ausländer, dem – aus welchen Gründen auch immer – zu Unrecht deutsche Ausweisdokumente (Pass, Personalausweis) ausgestellt wurden, dadurch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Auch wenn er im Besitz dieser Dokumente ist, kann er deshalb kindergeldrechtlich nicht als Deutscher behandelt werden.

2. Die Entscheidung bekräftigt zum wiederholten Mal, dass die Neuregelung in § 62 Abs. 2 EStG über die Kindergeldberechtigung von Ausländern keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Der Gesetzgeber handelte insoweit im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, als er die Kindergeldberechtigung von Ausländern vom Besitz bestimmter Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vom 30.07.2004, das das Ausländergesetz (AuslG 1990) ablöste, abhängig machte (BFH, Urteile vom 15.03.2007, III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234, BFH/PR 2007, 266 und vom 22.11.2007, III R 54/02, BFH/NV 2008, 457, BFH/PR 2008, 201).

Die Neufassung gilt für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle. Für Zeiträume vor 2005 sind die ausländerrechtlichen Genehmigungen nach dem AuslG 1990 in aufenthaltsrechtliche Titel nach dem AufenthG umzuqualifizieren.

3. Solange ein Ausländer nicht erstmals im Besitz einer entsprechenden ausländerrechtlichen Genehmigung oder eines aufenthaltsrechtlichen Titels ist, kann er daher keinen Anspruch auf Kindergeld haben. Eine Bescheinigung, nach der der Aufenthalt eines Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt – sog. Fiktionsbescheinigung – genügt folglich nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.04.2008, III R 16/05

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