Leitsatz

1. Eine aufgrund unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gem. § 14 Abs. 2 UStG entstandene nicht entrichtete Steuer ist gem. § 233a AO zu verzinsen. Die aufgrund des Steuerausweises entstandene USt-Schuld besteht bis zur – ohne Rückwirkung eintretenden – Berichtigung des Steuerbetrags.

2. Eine rückwirkende Berichtigung unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspricht dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 S. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von derartigen USt-Nachforderungen ist deshalb kein Anhaltspunkt ersichtlich.

3. Eine ermessenslenkende Billigkeitsregelung der Verwaltung, wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in einem auf das Kalenderjahr der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat, bindet die Gerichte nicht.

4. Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitender Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht.

 

Normenkette

§ 233a, § 227 AO, § 14 Abs. 1 S. 6, § 14 Abs. 2, § 17 Abs. 1 UStG 1993

 

Sachverhalt

Die Klägerin war Organträger und übertrug die Beteiligung an der B-GmbH auf die L-GmbH. Die B-GmbH hatte 1994 zu Unrecht USt ausgewiesen. Das FA erfasste diese 1999 und setzte entsprechend Nachzahlungszinsen fest, die die Klägerin daraufhin zahlte. Noch vor der Zahlung hatte die L-GmbH unter Hinweis auf berichtigte Rechnungen die Erstattung der zu Unrecht ausgewiesenen USt beantragt und ein Monat vor der USt-Zahlung der Klägerin erhalten. Das FA erließ bis auf diesen einen Monat die Nachzahlungszinsen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Nach dem BFH-Urteil hätte die Klägerin überhaupt keinen Erlass von Nachzahlungszinsen bekommen dürfen. Die Revision hatte deshalb keinen Erfolg.

 

Hinweis

1. Nach dem BMF-Schreiben vom 01.04.1996 (BStBl I 1996, 370, nunmehr Nr. 70.2.3 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 233a AO,BMF-Schreiben vom 02.01.2008, IV A4 – S 0062–07/0001, BStBl I 2008, 26, 181) soll die USt aus Billigkeitsgründen erlassen werden, "wenn in einer Endrechnung die vor der Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden USt-Beträge nicht abgesetzt oder angegeben wurden". Der Unternehmer schulde zwar die USt aus dem in der Endrechnung zu Unrecht doppelt ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14 Abs. 2 UStG. Bei Berichtigung der Rechnung seien aber Nachzahlungszinsen, die auf diese Steuer nach § 14 Abs. 2 UStG entfielen, aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, "wenn der Unternehmer nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich eine berichtigte Endrechnung erteilt".

2. Das widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG, wonach zu Unrecht ausgewiesene USt bis zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung geschuldet wird. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Steuerschuldner Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer – wegen unzutreffender Steuerfestsetzung – vorerst "freigestellt" war. Für die nach §  14 Abs. 2 UStG bis zur Rechnungsberichtigung geschuldete Steuer gilt nichts anderes. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung gibt es keinen Anhaltspunkt.

3. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften wie die unter 1. genannte "Billigkeitsmaßnahme" können auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) bei der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen nur von Bedeutung sein, wenn sie nicht gesetzwidrig sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.03.2009 – V R 48/07

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