Leitsatz

Einer niederländischen Kapitalgesellschaft, die innerhalb eines ebenfalls in den Niederlanden ansässigen aktiv tätigen Konzerns auf Dauer als Holdinggesellschaft ausgegliedert wird, ist die Steuerentlastung gem. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1994 auch dann nicht nach § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 zu versagen, wenn an ihr Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (Abweichung vom Senatsurteil vom 20.3.2002, I R 38/00, BFH-PR 2002, 365, BStBl II 2002, 819).

 

Normenkette

§ 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG 1990/1994 , § 50d Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a EStG 1990/1994 , § 42 AO

 

Sachverhalt

Die beiden Klägerinnen sind Kapitalgesellschaften (B.V.) niederländischen Rechts. Sie gehören zu einer Konzerngruppe und wurden im Zug der wirtschaftlichen Expansion dieser Gruppe 1981 und 1987 gegründet. Ihre Sitze befanden sich in den streitgegenständlichen Zeiträumen April 1994 bzw. Mai 1994 sowie Juni und Oktober 1995 in den Niederlanden in den Geschäftsräumen einer Tochtergesellschaft der einen Klägerin und zugleich einer Schwestergesellschaft der anderen Klägerin, deren Telefon- und Telefaxanschlüsse sie nutzten. Sämtliche Gesellschaften wie auch weitere Schwester- und Tochterunternehmen in den Niederlanden wurden von dort ansässigen Geschäftsführern geleitet. Über weiteres Personal verfügten die Klägerinnen nicht.

Die Anteile der Klägerinnen wurden von einer auf den Niederländischen Antillen ansässigen Holdinggesellschaft gehalten, deren Gesellschafterin in den streitgegenständlichen Zeiträumen wiederum die auf den Bermudas residierende Muttergesellschaft (G-Ltd.) war. An Letzterer waren zu 85 % G, Bermudas, und zu jeweils 7,5 % H, Australien, und B, USA, beteiligt. Die war an weiteren niederländischen Tochtergesellschaften und an zahlreichen Enkelgesellschaften in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern beteiligt.

Innerhalb der Unternehmensgruppe hatten die Kapitalgesellschaften die Aufgabe, Beteiligungen an anderen europäischen und außereuropäischen Tochtergesellschaften zu halten, u.a. in Deutschland an zwei GmbHs. Beide GmbHs schütteten Gewinne aus. Die niederländischen Gesellschaften beantragten beim BfF, die auf die Ausschüttungen einbehaltene Kapitalertragsteuer von 25 % gem. § 44d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG 1990 auf 5 % der Ausschüttung zu ermäßigen und ihr den Unterschiedsbetrag gem. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 zu erstatten. Das wurde mit Blick auf § 50d Abs. 1a EStG 1990 (heute § 50d Abs. 3) abgelehnt, weil die Obergesellschaft der Klägerinnen nicht in einem EG-Mitgliedstaat residiere.

Das FG wies die dagegen gerichteten Klagen ab (EFG 2004, 1540 sowie 1848). Es bezog sich dabei auf das in einer Parallelsache ergangene BFH-Urteil vom 20.3.2002, I R 38/00 (BFH-PR 2002, 365) gegen eine Schwestergesellschaft der Klägerinnen

 

Entscheidung

Die Entscheidung Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung nicht aufrechterhalten. Infolge der konzerninternen Ausgliederung der Klägerinnen sei deren prinzipielle Eigenwirtschaftlichkeit nicht in Frage zu stellen. Ihnen sei die abgeführte Kapitalertragsteuer deswegen zu erstatten. Dr. Dietmar Gosch

 

Hinweis

1. Einmal mehr ging es im Urteilsfall um die steuerliche "Inkriminierung"zwischengeschalteter ausländischer Kapitalgesellschaften und die Annahme eines dadurch bedingten Gestaltungsmissbrauchs i.S.v. § 42 AO. Der I. Senat des BFH "fährt" dazu schon "traditionell" einen eher restriktiven Kurs – dies in jüngerer Zeit verstärkt angesichts europarechtlicher Einflüsse und der danach geforderten grundsätzlichen (jedenfalls gesellschaftsrechtlichen) Anerkennung auch funktionsloser Gesellschaften, die nach dem Recht eines EG-Mitgliedstaats errichtet worden sind. Im Einzelnen ist dazu vor allem auf das BFH-Urteil "Dublin-Docks II" vom 25.2.2004, I R 42/02 (BFH-PR 2004, 416) zu verweisen, aber auch auf das Urteil vom 20.3.2002, I R 63/99 (BFH-PR 2002, 387) zu einer Delaware-Konzern-Finanzierungsgesellschaft.

2. Vor diesem Hintergrund hatte der BFH zuletzt – im Urteil vom 17.11.2004, I R 55/03 (BFH-PR 2005, 243) – einen neuen Gesichtspunkt zur Abgrenzung hervorgehoben: Der Missbrauchsverdacht verbietet sich danach regelmäßig bei einer systematischen und auf Dauer angelegten Auslagerung selbstständiger (und mehr oder weniger passiv tätiger) Kapitalgesellschaften aus einem ansonsten aktiv tätigen Konzern. Es könne dann keine Rolle spielen, ob die Ausgliederung in jener Weise oder ob stattdessen durch unselbstständige Betriebsteile erfolge.

3. Diese Überlegung wird im Urteilsfall aufgegriffen, dies in erster Linie allerdings nicht bezogen auf die allgemeine abgabenrechtliche Regelung des § 42 AO, sondern auf die spezialgesetzliche Missbrauchsverhinderungsnorm des § 50d Abs. 1a EStG a.F., heute des § 50d Abs. 3 EStG.

Danach ist einer ausländischen Gesellschaft der Anspruch auf Befreiung von der Kapitalertragsteuer oder auf deren Ermäßigung nach § 44d EStG oder nach einem DBA zu versagen, soweit an ihr...

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