2.2.1 Überblick

 

Rz. 13

Abs. 4 soll als Härtefallregelung in ähnlicher Weise wie im Versorgungsrecht (vgl. § 48 Abs. 1 BVG) einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Versicherte durch die langandauernde hochgradige Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit gehindert war, Vorsorge zu betreiben. Die Vorschrift lehnt sich an § 48 Abs. 1 BVG an. Anders als nach der bei der MdE-Bildung in der Unfallversicherung maßgeblichen abstrakten Berechnung des Erwerbsschadens findet hier eine konkrete Ermittlung des Erwerbsschadens und der daraus erwachsenden Folgen statt.

 

Rz. 14

Es müssen folgende Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein:

  • Anspruchsberechtigter nach Abs. 1 oder 3,
  • Versicherter ist nicht an Unfallfolgen verstorben,
  • Versicherter hat länger als 10 Jahre Rente bezogen,
  • nach einer MdE von 80 % oder mehr,
  • Versicherter war durch den Versicherungsfall gehindert, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben,
  • Versorgung der Hinterbliebenen wurde dadurch um mindestens 10 % gemindert.

Liegen alle Voraussetzungen vor, so hat der Versicherungsträger Ermessen auszuüben, ob und in welcher Höhe die laufende Beihilfe gewährt wird. Obergrenze ist die Höhe einer Hinterbliebenenrente.

2.2.2 Rentenbezug des Versicherten

 

Rz. 15

Das Erfordernis des Rentenbezuges nach einer MdE von 80 % oder mehr wird auch dann erfüllt, wenn der Versicherte mehrere Renten bezog und die Summe der MdE 80 % betrug (BSG, Urteil v. 31.8.1972, 2 RU 163/70, SozR Nr. 2 zu § 602 RVO; Urteil v. 30.4.1991, 2 RU 56/90, HV-INFO 1991 S. 1526). Er muss die Rente mindestens 10 Jahre lang bezogen haben. Es reicht nicht aus, dass die Rente richtigerweise hätte mit 80 % festgestellt werden müssen (BSG, Urteil v. 30.4.1991 a. a. O.). Der Zehnjahreszeitraum beginnt mit dem Beginn der Rente bzw. der Renten mit einer MdE von (zusammen) 80 % oder mehr. Abgefundene Renten zählen auch hier mit.

 

Rz. 16

Anstelle der einmaligen Beihilfe kann die laufende Beihilfe gezahlt werden. Eine bereits bewilligte einmalige Beihilfe ist auf die anschließend bewilligte laufende Beihilfe anzurechnen. Die vorangehende bindende Bewilligung der einmaligen Beihilfe muss nach Maßgabe von § 44 SGB X aufgehoben werden. Nur so kann verfahrenstechnisch die bindende Bewilligung beseitigt werden, die ansonsten der Bewilligung der laufenden Beihilfe entgegenstände (streitig; wie hier: Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 71 Anm. 16; a. A. Ricke, in: Kasseler Komm., § 71 Rz. 9, und Keller, in: Hauck/Noftz, § 71 Rz. 34).

2.2.3 Entsprechende Erwerbstätigkeit – Feststellung des Erwerbsschadens

 

Rz. 17

Es ist zu prüfen, ob der Versicherte gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben. "Entsprechende Erwerbstätigkeit" ist diejenige Tätigkeit, die der Versicherte ohne die Folgen des Versicherungsfalles wahrscheinlich hätte verrichten können. Ausgehend von seinem Ausbildungsstand und seinem bis zum Eintritt des Versicherungsfalles zurückgelegten Berufsweg ist eine Prognose durchzuführen. Dabei ist zu prüfen, welche berufliche Entwicklung der Versicherte bis zum Tode bzw. bis zur Erreichung der Altersgrenze genommen hätte. Dabei müssen Erkenntnisse über die berufliche Entwicklung vergleichbarer Beschäftigter herangezogen werden. Die Rechtsprechung des BSG zu § 48 Abs. 1 BVG ist dabei auszuwerten (BSG, Urteil v. 14.6.1978, 9 RV 54/77, SozR 310 § 48 Nr. 4, Breithaupt 1979 S. 252; Urteil v, 4.10.1984, 9a RV 42/83, SozR 3100 § 48 Nr. 10, Breithaupt 1985 S. 509). Das Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn festgestellt wird, dass die vom Versicherten zuletzt ausgeübte Tätigkeit gegenüber der ohne den Versicherungsfall erreichbaren Tätigkeit unterwertig war.

2.2.4 Geminderte Versorgung – Feststellung des Versorgungsschadens

 

Rz. 18

Die Versorgung der Hinterbliebenen muss um mindestens 10 % gemindert sein. Um die Minderung der Versorgung des Anspruchstellers zu ermitteln, muss eine Vergleichsberechnung durchgeführt werden. Dabei wird die Hinterbliebenenversorgung, die der Anspruchsteller bezieht (tatsächliche Hinterbliebenenversorgung), verglichen mit der Hinterbliebenenversorgung die er beziehen würde, wenn das Einkommen des Versicherten nicht durch den Versicherungsfall gemindert gewesen wäre, er aufgrund höheren Erwerbseinkommens höhere Beiträge zur Rentenversicherung oder zu einem anderen Sicherungssystem entrichtet und daraus höhere Anwartschaften erlangt hätte (fiktive Hinterbliebenenversorgung). Hinterbliebenenversorgung in diesem Sinne sind sämtliche Ansprüche zur Sicherung des Lebensunterhalts der Hinterbliebenen. Im Interesse der Gleichbehandlung der Anspruchsberechtigten muss eine pauschalierende und generalisierende Betrachtungsweise geboten. Dabei können die Erfahrungssätze und Tabellenwerte der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 des BVG (Berufsschadensausgleichsverordnung – BSchAV, BGBl. I 1984 S. 861) herangezogen werden.

2.2.5 Ermessen

2.2.5.1 Entschließungsermessen

 

Rz. 19

Die Gewährung der laufenden Beihilfe steht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers ("kann … gezahlt werden"). Dabei dürfte das Entschließungsermessen bei der Frage, ob überhaupt eine Beihilfe gewährt wird, zumeist auf Null reduziert sein, wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Eine ablehnende Entscheidung dürfte nur dan...

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